Lilith - Wunschlos gluecklich
Minuten und siebenunddreißig Sekunden. Er seufzte, dies würde seine letzte schlaflose Nacht sein.
*
Camille war gerade erst gegangen und Lilith war schon jetzt sterbenslangweilig. Ein Blick auf die Uhr ließ sie aufstöhnen. Erst neunzehn Uhr. Warum musste Camille auch ausgerechnet an diesem Abend noch ihre Großeltern besuchen? Sie musste dringend abgelenkt werden, und niemand verstand es so gut wie Camille, sie auf andere Gedanken zu bringen.
Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sie an einige von Camilles skurrilsten Versuche diesbezüglich dachte. Doch dann schlich sich ein anderes Gesicht in ihre Gedanken und überlagerte sämtliche Empfindungen.
Auch wenn sie noch so sehr versuchte, diese grünen Augen zu verdrängen, ihr ging schon wieder einmal dieser Luc nicht aus dem Kopf. Seit Tagen lauerte er ihr immer wieder irgendwo auf. Im Club … im Park … vor dem Plattenladen … schlussendlich besuchte er sogar ihre Schule. Sie hatte ihn wohl öfter gesehen als ihre Eltern und das, obwohl sie ihn so gut wie gar nicht kannte. So langsam begannen diese abstrusen Zufälle, als die er diese Treffen meist abtat, echt unheimliche Züge anzunehmen. Wieso sie sich in den vergangenen zwei Tagen mehr auf ihn eingelassen hatte, stellte sie vor ein Rätsel. Er wollte sie anscheinend nur in Sicherheit wiegen, ehe er sie danach erneut mit seiner abstrusen Idee überfiel. Dass sie sich auf jeden Fall kennen würden, und sie ihm unbedingt diesen Wunsch erfüllen müsste. Was bezweckte er nur damit? Na ja, was er wollte, war klar, er hatte schließlich einige Male versucht, ihr zu verdeutlichen, wie wichtig es für ihn wäre. Zuletzt vor knapp zwei Stunden, als sie mit der Clique einen Tee in ihrem Lieblingsclub genossen hatte. Aber wieso?
Immer noch leicht verwirrt von dem letzten Zusammentreffen kramte sie ihr Smartphone aus der Jackentasche hervor und warf sich aufstöhnend aufs Bett. Sie musste sich dringend ablenken. Jordan war unterwegs, und da auch Mercedes keine Zeit für sie hatte, weil sie sich mit ihrem neuen Lover Brad vergnügte, blieb ihr nur ihre Musik. Sie drückte Mercedes’ SMS schmunzelnd beiseite und wählte den entsprechenden Ordner an. Sie staunte nicht schlecht, als sich auf dem Display lediglich ein einziger Ordner mit dem Namen »Without you« befand. Alle ihre eigentlichen Musikordner waren weg. Billy Talent, 30 Seconds to Mars, Avenged Sevenfold, In Flames … ihre deutschen Liebessongs. Alles weg. Es würde ewig dauern, bis sie den ganzen Scheiß erneut auf das Mobiltelefon geladen hätte.
Was war verdammt noch mal mit ihrem Smartphone passiert? Etwas verärgert klickte sie den einzigen vorhandenen Ordner in ihrem Musikverzeichnis an und entdeckte darin wiederum nur ein einziges Lied. Es hieß wie der Ordner ‚Without you‘.
Ihr Herzschlag beschleunigte. Das unablässig schneller werdende Hämmern in ihrer Brust verriet ihr etwas, das ihr Innerstes schon längst wusste. Es war Luc. Er musste ihren Player heute Mittag manipuliert haben. Aber wie … und wieso?
Ihr Herz schlug immer noch schnell, viel zu schnell. Sie rieb ihre schweißnassen Finger aneinander, wischte sie an der Hose ab. In der Zwischenzeit zitterten sie auch ein wenig. Lilith atmete nochmals tief durch und drückte auf Start.
Was sie hörte, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
Jetzt war sie sich ganz sicher, dass Luc seine Finger im Spiel hatte. Wie schaffte er es nur immer wieder, Songs zu finden, die haargenau zu ihren Problemen passten?
Jede Textzeile brannte sich mit unglaublicher Intensität in Liliths Bewusstsein ein. Sie erstarrte, als wäre sie von ihrem Körper abgetrennt.
Dieses Lied berührte sie. Irgendwo tief in ihr drin. Es lähmte alles in ihr. Alles, bis auf einen einzigen Gedanken. Sie schielte auf ihren Nachttisch. Das Ding lag immer noch da. Seit Tagen unberührt, neben der Kanne ihrer Großmutter. Diese einzigartige Kugel, die ihr Luc vor ein paar Tagen mit einer Bitte verknüpft zugesteckt hatte. Sollte sie wirklich?
Sie griff zum Nachttisch und nahm die schillernde Murmel vorsichtig in die Hand. Immer noch waberten wie am ersten Tag mystische, goldene Nebelschwaden durch die durchsichtige Glaskugel. Doch urplötzlich ging ihr ein Licht auf und sie erkannte, was sie in den ersten Tagen so irritiert hatte. Nur noch ein silberner Stern zog einsam seine Runden zwischen den goldenen Wolkengebilden. Nur ein einziger Stern war übrig geblieben – von ehemals
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