Liliths Hexenhöhle
ausstrahlte und mir sogar fleckig vorkam.
Die Mehrzahl der Dämonen wäre durch die Berührung vernichtet worden. Nicht so Lilith. Sie war eben anders. Sie gehörte zur absoluten Spitze in der Hierarchie und sah sich als Freundin und Geliebte Luzifer’s an. Was sie in diesem Moment dachte, wusste ich nicht, aber meine Aktion hatte sie dermaßen überrascht, dass sie starr wie ein Stock auf mir hockte.
Ich zischte meine Worte in ihr Ohr. »Wenn mich deine verdammten Hexen töten wollen, dann werde ich dich auch vernichten. Hast du verstanden?«
»Klar.« Sie konnte sprechen, obwohl das Kreuz in ihrem Mund steckte. »Aber hast du dir nicht zu viel vorgenommen, Sinclair? Es zeigt keine Wirkung bei mir.«
»Noch nicht. Aber ich habe Helfer. Sie sind deine Todfeinde und waren es schon damals. Du weißt selbst, dass sich das Kreuz aktivieren läßt. Es gibt bestimmte Worte, die es...«
»Nicht hier, Sinclair, nicht hier.« Sie bewegte zugleich ihre Hände und gab den Hexen ein Zeichen, sich ruhig zu verhalten. »Denk daran, wo du bist!«
Okay, sie hatte mich bei einem schwachen Punkt erwischt. Mein Kreuz war wirklich nicht das Allheilmittel. In dieser Dimension herrschte die Macht des obersten Höllenfürsten Luzifer, die er sich zudem noch mit Lilith teilte. Aber es war zumindest einen Versuch wert. Im Hinterkopf dachte ich auch daran, dass ich irgendwann wieder aus dieser Welt verschwinden musste. Wer würde es mir ermöglichen, den Rückweg zu finden? Mein Leben hatte ich zwar im Moment gerettet, aber die Zukunft sah trotzdem nicht gut aus.
Lilith bewegte sich nicht. Sie zitterte auch nicht. Ich hörte keinen Atem. Ihr Körper schien zu Stein geworden zu sein, obwohl er noch das gleiche Gewicht besaß.
Den Kopf hatte ich so gedreht, dass ich ihr Profil sehen konnte. Der Mund war zu einem Lächeln verzogen, obwohl das Kreuz noch in ihm steckte. Sie sprach, und es sah zugleich so aus, als würde sie kauen. »Willst du es nicht versuchen, Sinclair? Willst du dein Kreuz nicht voll einsetzen?«
»Wünschst du dir das?«
»Ja!«, erwiderte sie, und es hörte sich nicht gelogen an. Sie wollte es nicht anders haben.
»Okay!«, flüsterte ich und dachte daran, dass mir nichts passieren konnte. Schlimmer würde es schon nicht kommen. Irgendwie konnte ich nur gewinnen.
So sprach ich die Formel: »Terra pestem teneto – Salus hic maneto!«
Und tatsächlich, das Kreuz reagierte!
***
Leider nicht so wie ich es mir vorgestellt und gewünscht hatte. Es gab das strahlende und auch zerstörerische Licht nicht in der Nähe. Ich merkte nur, wie sich das Metall für einen Moment erwärmte, sich aber ebenso rasch wieder abkühlte und die Umgebung nicht in diesen hellen Schein tauchte.
Er war trotzdem da. Was ich zu sehen bekam, ließ mich nur staunen. Irgendwo im Hintergrund huschten Lichtkugeln oder Reflexe durch die Finsternis, die aussahen wie ferne Blitze, deren Wetterleuchten aus einer anderen Dimension herübergrüßte. Mal kam es zu fahlen Einschlägen, dann war die Hexenhöhle für einen Moment wie in kaltes Mondlicht getaucht, doch mehr passierte nicht.
Lilith saß nach wie vor auf meinem Schoß. Sie lachte auch, doch die Gesichter der Hexen vor mir zeigten schon einen gewissen Schrecken. Sie hatten mehr von der Kraft des Kreuzes gespürt.
»Es ist wie ein Käfig, Sinclair. Ja, wie ein Käfig. Diese Welt ist geschützt. Damals hat es dein Kreuz noch nicht gegeben. Du siehst es als Zeichen des Sieges an, wie es auch viele Menschen tun. Aber für mich ist es das nicht. Und das brauche ich dir nicht zu erklären, sonst wäre es anders gekommen. Du hast dich girrt, Sinclair, und deshalb wirst du deinem Schicksal nicht entgehen.« Sie lachte laut und spie mir dieses Lachen von der Seite her ins Gesicht.
Mit einer ruckartigen Bewegung zerrte ich das Kreuz aus ihrem Mund. Wenn ich gedacht hätte, dass sie jetzt aufstehen würde, hatte ich mich geirrt. Lilith lehnte ihren Kopf sogar noch zurück, sodass sie meine Wange berührte und wir beide beinahe aussahen wie ein Liebespaar, so dicht zusammen.
»Mir gefällt das Spiel zwischen uns, John. Es ist schon der reine Wahnsinn und kaum zu verstehen. Das Spiel ist toll. Ich mag es sehr. Ich hätte nicht gedacht, dass es so laufen würde. Wir sollten die Hexen einfach vergessen.«
»Und weiter?«
»Dann kann es nur uns geben.« Sie setzte sich anders und bequemer hin, damit sie mich auch anschauen konnte. Es war beinahe schon eine Reiterhaltung, die sie auf meinem Schoß
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