Liliths Hexentanz
sah ein junges Mädchen, von dem sie freundlich angelächelt wurde. »Guten Tag, was darf es sein?«
»Kaffee bitte. Aber eine Kanne!«
»Gern.« Die Kleine, sie war höchstens sechzehn, nickte, lächelte und entfernte sich dann. Sie trug eine dunkle Hose und auch einen dunklen Pullover. Das Haar war zu einer hochstehenden Bürste geschnitten und schimmerte blondrot.
Jane schaute aus dem Fenster und wartete. Ihren Golf konnte sie nicht sehen, und sie dachte daran, daß John zum Glück noch einen Reserveschlüssel bei sich trug. So hatte er den ihren nicht gebraucht, der in ihrer Tasche steckte.
Die Gedanken rasten durch ihren Kopf, als wäre eine endlose Spirale in Gang gesetzt worden. Was war auf dem Boot geschehen? Klar, drei furchtbare Morde, aber warum hatten sie überhaupt geschehen müssen?
Welch grausame Person hatte die Taten begangen? Und wer, zum Teufel, zog im Hintergrund die Fäden?
Als Jane an den Teufel dachte, mußte sie scharf und bitter lächeln. Es konnte durchaus sein, daß er dieses Spiel begonnen hatte und sich für die Untaten verantwortlich zeigte, aber das war nicht sicher. Es gab auch andere Dämonen, die in seinen oder nicht in seinen Diensten standen, denen so etwas zuzutrauen war. Aber auch Lilith war als Kraft nicht auszuschließen. Sie war es schließlich gewesen, die alle Macht über die Hexen an sich hatte reißen wollen.
Ob es ihr gelungen war, wußte Jane nicht. Jedenfalls gab es einige, die zu verschiedenen Seiten hin tendierten. Die Welt der Schwarzmagischen verlief nicht gleichförmig. Überall existierten kleine Gruppen, die sich untereinander bekämpften. Jeder strebte nach Macht und Ansehen in den anderen Dimensionen und Regionen des Schreckens. Im Prinzip jedoch war es nur ein Spiegelbild der Menschheit, nur auf einer anderen Ebene.
Janes Gedanken wurden unterbrochen, weil das Mädchen den Kaffee brachte. Es stellte eine große Kanne und auch eine große Tasse auf den Tisch. Beide zeigten ein blaues Muster und paßten wunderbar zusammen.
Zucker und Sahne erhielt Jane auch, und sie bedankte sich mit freundlichen Worten.
»Meine Mutter kocht ihn selbst«, sagte das Mädchen. »Dann muß er ja gut sein.«
»Bestimmt, Miß, das sagen auch die Fischer und Seeleute, die ihn hier immer trinken.«
»Bestimmt auch die Feriengäste.«
»Wenn sie hier sind.«
»Aber jetzt ist hier tote Hose – nicht?«
Das Mädchen nickte. »Ja, der Winter ist immer schlimm. Manchmal schließen wir das Lokal ganz.«
Jane Collins probierte den Kaffee und nickte andächtig, nachdem sie getrunken hatte. »Hm – sehr gut. Ein wirklich ausgezeichneter Kaffee. Deine Mutter kann stolz darauf sein.« Sie setzte die große Tasse wieder ab. »Diese Gegend ist eigentlich sehr friedlich, denke ich.«
»Nicht immer.« Die Bedienung senkte den Kopf. Jane wußte, was sie mit dieser Geste andeuten wollte.
»Es hat sich also herumgesprochen?« fragte sie.
»Ja, das hat es sich. Dieser furchtbare Fund auf See. Wir kommen damit nicht zurecht.«
»Es ist schlimm.«
Die Kleine stützte ihre Hände auf eine Stuhllehne. »Haben Sie auch etwas damit zu tun?«
»Wieso? Wie kommen Sie darauf?«
»Weil Sie fremd hier sind. Sie kamen nicht allein. Ich habe den Mann auch gesehen.«
»Hier bleibt nichts unbeobachtet, wie?«
Die Kleine wurde verlegen und hob die Schultern. Sie kriegte sogar einen roten Kopf.
Jane entspannte die Lage, indem sie nach dem Namen fragte.
»Ich heiße Shirley.«
»Und ich bin Jane.« Die Detektivin schob einen Stuhl zurecht. »Sie können sich auch setzen, Shirley.«
»Das sieht meine Mutter nicht so gern.«
»Es ist ja nicht so viel zu tun.«
»Stimmt auch wieder.«
Nachdem Shirley ihren Platz eingenommen und Jane an ihrem Kaffee genippt hatte, fragte sie: »Euch ist diese schreckliche Tat auf dem Boot tief unter die Haut gegangen, nicht wahr?«
Shirley nickte. »Das ist sie.«
»Und? Gab es Spekulationen? Man hat doch sicherlich darüber gesprochen. Kannte man die Personen auf dem Boot?«
»Nein. Wir wissen nicht mal, wie viele es genau waren.«
»Was ist mit dem Boot gewesen?«
Shirley hob die Schultern. »Ebenfalls unbekannt. Hierher stammt es zumindest nicht.«
»Aus diesem Hafen?«
»Ja, es gibt hier einen Verleiher, aber das hat er nicht in seinem Programm. Es ist auch ziemlich groß und teuer. Die Leihgebühr wird entsprechend hoch sein.«
Jane nickte versonnen vor sich hin und umklammerte ihre Tasse. »Da haben Sie schon recht. Woher könnte das Boot denn
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