Liliths Hexentanz
denn normalerweise lagen die Häuser immer hinter den Dünen.
Hatte ich mich getäuscht? War mir von der eigenen Phantasie etwas vorgespielt worden?
Der Weg führte leicht bergauf. Ich blieb nach einigen Metern auf einer Plattform stehen, von der aus ich einen relativ guten Überblick hatte. Ich überschaute den Hafen und sah etwas weiter entfernt wie ein heller Schatten den Strand.
Nur wenige Menschen hielten sich dort auf. Den meisten war es zu kalt.
Die Spaziergänger, die sich trotzdem nach draußen gewagt hatten, genossen die Kälte.
Ich wurde langsam sauer und kam mir vor wie jemand, der einem Hirngespinst hinterherlief. Ich bekam die Entdeckung noch in die Reihe und glaubte daran, daß ich mir selbst etwas vorgemacht hatte, weil ich noch immer unter dem Eindruck der schrecklichen Bilder stand.
Bis sich die Bewegung wiederholte. Ich sah sie, als ich mich in der Drehung befand, um nach rechts schauen zu können. Und da tanzte plötzlich etwas zwischen den Dünen. Es war groß, sogar ziemlich hoch, ein Mensch konnte es durchaus sein, aber die Person fiel kaum auf, weil sie ziemlich hell war.
Ich lief zur anderen Seite des Wegs und stellte mich dort an das Geländer. Wenn es sein mußte, würde ich es auch überklettern, was auch der andere getan hatte.
Geduckt eilte er durch die Dünen. Bei mir erweckte er den Anschein, als würde er etwas suchen. Er bewegte sich von einer Seite zur anderen, tauchte manchmal in die kleinen Senken hinein, erschien dann wieder, lief weiter, doch eine Richtung war nicht festzustellen.
Er hielt sich an keine Regeln. Mal erschien er rechts, dann wieder links.
Hin und wieder duckte er sich, blieb für eine Weile verschwunden, um danach an einer anderen Stelle wieder zu erscheinen. Es konnte durchaus sein, daß er nach etwas suchte, es aber noch nicht gefunden hatte.
Ich strengte meine Augen an, um ihn, wenn er wieder auftauchte, besser erkennen zu können. Nicht daß mir diese Gestalt unbedingt Sorgen bereitete, aber ein gewisses Unwohlsein überkam mich schon, denn die Gestalt benahm sich doch seltsam. Ich wäre nicht so durch das Gelände geeilt, es sei denn, ich hätte etwas zu verbergen gehabt.
Natürlich dachte ich an die schreckliche Tat und daran, daß es den Mörder oft genug an den Ort seiner Untat zurückzieht. So recht wollte ich daran nicht glauben, aber ich war nicht abgeneigt, ihn mit den Morden in Verbindung zu bringen.
Er kam näher.
Nicht direkt, sondern auf Umwegen. Er schlug wieder Haken wie ein Hase, aber wenn er auftauchte, sah ich ihn besser, und ich fragte mich, ob er auch mich gesehen hatte.
Das Erkennen war noch nicht perfekt. Die Sonne schien mir von der Seite her ins rechte Auge. Die dunkle Brille wollte ich noch nicht aufsetzen, deshalb drehte ich den Kopf und schaute in eine andere Richtung. Der andere war verschwunden. Sekunden später war er wieder da. Mit einem langen Schritt verließ er eine Mulde, und ich konnte ihn zum erstenmal relativ deutlich und in seiner gesamten Körpergröße sehen.
Er war menschengroß, so groß wie ich. Und er trug keinen Fetzen Kleidung am Leib – oder?
Ich konnte es nicht glauben, denn bei dieser Witterung war das eigentlich unmöglich, aber ich mußte mich den Tatsachen stellen, denn eine Hose oder ein Oberteil entdeckte ich nicht.
Der Körper war hell, nackt, und auf dem Kopf der Gestalt wuchs helles Haar, mit dem der Wind spielte. Er ließ es aussehen wie fest gewordenen Dampf.
Ein Gesicht war auch vorhanden. Leider konnte ich es nicht genau erkennen, obwohl die Luft klar war. Eines stand aber fest: Der andere hatte mich bereits entdeckt.
Wir standen uns praktisch gegenüber, allerdings durch Dünengras und durch die Hügellandschaft getrennt, so daß jeder von uns Deckung finden konnte.
War er ein Mensch? Er sah so aus. Auf der anderen Seite kam ich mit seiner Nacktheit nicht zurecht, mußte zudem erkennen, daß diese Gestalt nicht nur nackte Haut trug. Auf ihr wuchs wie ein heller Flaum das ebenfalls helle Fell.
Er war ein Mensch, aber er war trotzdem ein Tier. Jemand, der sich vor den Menschen verborgen gehalten hatte und seinen eigenen Weg gegangen war – um nicht entdeckt zu werden. Jemand, der im Wald gelebt hat und von Tieren adoptiert worden war.
So etwas hatte es gegeben und gab es sicherlich noch immer. Allerdings nicht hier, wo nichts unentdeckt bleiben konnte. In den Urwäldern ferner Länder war so etwas möglich, und ich wollte der Sache auf den Grund gehen. Mit nicht zu hastigen
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