Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck
Feuerbefehl.
Wie schön wäre das gewesen, hätte die Raumkapsel nun würdevoll abgehoben, um das Gewölbe hochzusteigen, durch die dünne Erdkruste oder eine der Öffnungen zu stoßen und in den Nachthimmel hinauszufliegen. Die Île Saint Paul hinter sich lassend. Triumph der Technik. Im Namen der Götter.
Doch nichts dergleichen geschah. Statt dessen ging es in die umgekehrte Richtung. Unter dem Druck der gezündeten Triebwerke brach der Boden unter der Fähre ein und öffnete sich zu einer darunterliegenden Etage, in welche nun das schwere Gerät vier, fünf Meter hinabstürzte, allerdings recht sauber auf seinen vier Landetellern aufsetzte. Der Startvorgang wurde automatisch abgebrochen, Qualm stieg auf, der Marsboden zitterte, Staub rieselte von der Höhlendecke.
Man kann vor allem eines sagen: Den Dronten reichte es endgültig. Die, die noch lebten, setzten sich in Bewegung, so rasch dies bei Dronten eben möglich war. Sie flüchteten, und zwar keineswegs kopflos, sondern in Richtung auf mehrere kleine Höhlengänge. Sie standen in Schlangen, um einen Raum zu verlassen, der nun wieder so gänzlich in Menschenhand übergegangen war, also des Menschen Handschrift trug: Chaos. Menschen konnten nicht anders, so wie Dronten eben immer nur ein Ei legten und niemals zwei. Alles Bestimmung.
Lilli Steinbecks Bestimmung nun war es, zu tun, was Joonas Vartalo nicht mehr tun konnte: Georg Stransky retten. Sie war schon sehr überrascht gewesen, als mit dem Eintreten in die Raumkapsel und dem Schließen der Luke kleine Lichter und Monitore angesprungen waren und eine französische Computerstimme sich im Ton eines hochvergnügten Conférenciers gemeldet hatte, um die Crew freundlich aufzufordern, sich anzuschnallen und die Ruhe zu behalten. In Folge eines raschen und rasch kommentierten Sicherheitschecks wurde auch der Startvorgang vollautomatisch eingeleitet. Als wäre man auf dem Rummelplatz und als wäre auch die Raumfahrt bloß ein Vergnügen für kleine Leute. Im Grunde war das ein schönes Bild, das hier die achtziger Jahre von sich lieferten. Ja, das war immerhin die Hochblüte der Demokratie gewesen.
Lange vorbei!
Und so, wie die Demokratie eingebrochen war, war nun auch der Boden unter der startenden Landefähre eingebrochen.
»Gott, wo sind wir?« rief Stransky.
»Wir sind gelandet«, antwortete Steinbeck, öffnete ihren Gurt, wie auch den Stranskys. »Beeilen wir uns, bevor das Ding Feuer fängt.«
Nun, es hatte bereits Feuer gefangen. Als Steinbeck und Stransky aus der Kapsel schlüpften, schlugen ihnen die Flammen entgegen.
»Springen Sie, schnell!« drängte Steinbeck und nahm ihren Schützling an der Hand.
Zusammen hechteten sie von der Kante. Die beiden kamen auf dem Boden auf, fielen vornüber und rollten ab. Na, ein richtiges Abrollen war es eigentlich nicht. Dennoch standen sie unverletzt auf und rannten einen breiten Gang hinunter, weg von der brennenden Fähre. Vernünftigerweise. Doch entgegen jeglicher Erwartung brannte das Ding einfach nur ab, anstatt zu explodieren, wie das jede andere Landefähre getan hätte.
Von oben waren Schüsse zu hören. Sinnlose Schüsse, da Steinbeck und Stransky hier unten nicht zu treffen waren. Wahrscheinlich mußten noch ein paar Dronten daran glauben.
Erneut erwies sich Georg Stranskys Geologen-Taschenlampe als hilfreich, nachdem man sich von dem lichtspendenden Feuer entfernt hatte. Es eröffnete sich ein System von Gängen, an den Wänden Aufschriften und Zeichen. Das Wort »Sortie« war nicht darunter, dafür aber ein Pfeil mit Tier, wobei das Tier unverkennbar einen Pinguin darstellte.
»Pinguin ist gut«, meinte Stransky und man folgte dem Symbol.
Die Tunnelröhre führte spürbar abwärts. Gelbe Markierungen wie auf der Autobahn. Aus der Ferne das stärker werdende Rauschen des Meers. Dann endlich trat man ins Freie.
Angesichts der bombastischen Sternennacht verspürte Stransky eine Wehmut, nicht tatsächlich himmelwärts geflogen, sondern bloß ein Stockwerk nach unten gerutscht zu sein. Andererseits war das natürlich die beste Lösung gewesen. Denn wie weit hätte man mit dieser Marsfähre denn gelangen können? Und wohin denn? Nach Paris? Zur nächsten internationalen Raumstation? Nonsens! Er und Steinbeck wären ins Meer gefallen und ersoffen.
»Wir leben«, sagte Stransky.
»In der Tat«, meinte Steinbeck, »man glaubt es kaum.«
Und endlich meldete sich auch das kleine, rosafarbene Satellitentelefon. Auf dem ovalen Bildschirm – als
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