Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck
allein in meiner Mittagspause vögeln lasse. Andere stopfen sich den Bauch voll oder joggen dreimal um den Häuserblock. Ich befriedige meine Geilheit. Und ob Sie das nun verstehen oder nicht: Meine Angst und Sorge um Georg ändert nichts an meiner Lust, an meiner Triebhaftigkeit. – So, und welchen Strick wollen Sie mir daraus drehen? Einen moralischen Strick?«
»Wie komme ich dazu?« meinte Hübner, der einigermaßen beeindruckt war. Aber genau darum war er fest entschlossen, sich nicht einwickeln zu lassen. Diese Medienleute waren alle geschickte Rhetoriker. Davon lebten sie. Von der permanenten Lüge. Hätte irgendein Umstand diese Typen gezwungen, die Wahrheit zu sagen, sie wären ins Stocken geraten. Viola Stransky jedoch war völlig erhaben geblieben. Also hatte sie gelogen, zumindest nicht die Wahrheit gesagt. So sah es Baby Hübner, der ganz grundsätzlich Leute nicht mochte, die in Büros saßen, von denen aus man einen Blick auf die ganze Stadt hatte. Solche herrschaftlichen Panoramen, fand Hübner, sollten einzig und allein Aussichtswarten, Fernsehtürme und Hausberge bieten. – Hübner war so ein richtiger Sozialist der alten Schule, kleinbürgerlich, treu zur Gewerkschaft, antimodernistisch, dabei belesen, körperfeindlich, bigott, in seinen Besitzansprüchen niemals über den eigenen Schrebergarten hinausdenkend. Ziemlich verbittert. Andererseits muß gesagt werden, daß die Welt um einiges friedlicher und gerechter wäre, würde es mehr solcher bigotter Schrebergartenbesitzer geben.
»Wie haben Sie Herrn Almgren kennengelernt?« fragte Hübner, aber nur, um über die Frage nachzudenken, die er wirklich stellen wollte.
»Ich glaube nicht, daß Sie das etwas angeht, Herr Hauptkommissar.«
»Wollen Sie vielleicht Ihren Anwalt anrufen?«
»Wieso das denn?«
»Na, wenn Sie etwas verbergen wollen, wäre es besser, sich vorher juristisch beraten zu lassen.«
»Ach, das kriege ich schon allein hin«, versicherte Viola Stransky und bat: »Akzeptieren Sie endlich, daß ich keinen Grund sehe, Ihnen Auskunft über meine Sexpartner zu geben. Mit dem Verschwinden meines Mannes hat das absolut nichts zu tun. Sollte ich meinen Anwalt einschalten, dann nur darum, damit er Ihnen klarmacht, worin die Aufgaben der Polizei bestehen. Nicht in Betten zu schnüffeln, sondern nach Indizien.«
»Manchmal findet man die Indizien in den Betten.«
»Nicht in diesem Fall. Tut mir wirklich leid. Und jetzt bitte ich Sie, zu gehen. Ich habe zu arbeiten«, erklärte Viola, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme, als erwürge sie ein Gespenst.
»Eine Frage noch. Dann lasse ich Sie in Frieden.«
Viola machte ein Gesicht, als habe ihr das erwürgte Gespenst die Bluse versaut.
»Wieso konnten Sie wissen«, fragte Hübner, »daß etwas mit dem Apfel nicht stimmt?«
»Na, hören Sie mal«, wurde Frau Stransky ein bißchen laut, »am Abend wird ein Apfel durch unsere geschlossene Scheibe geworfen, und am Morgen danach keine Spur von meinem Mann.«
»Deshalb muß man nicht gleich ein Stück Obst in Verdacht haben.«
»Mein Verdacht hat sich bestätigt.«
»Genau das gibt mir zu denken. Wie schön sich alles fügt. Wie geschickt das Mysteriöse die Lücken füllt.«
»Denken Sie, was Sie wollen. Guten Tag.«
»Guten Tag«, gab Hübner zurück und verließ den Raum. Er war ganz zufrieden mit sich. Er wollte Unruhe schaffen, Unruhe bei Frau Stransky und Unruhe bei Roy Almgren. Und da war es noch immer der beste Weg, den verdächtigen Personen zu sagen, was man alles von ihnen wußte. Die in solchem Stil Provozierten reagierten reflexartig, versuchten Dinge zu verbergen, die erst auf diese Weise offenkundig wurden. Wie jemand Unsichtbarer dadurch sichtbar wird, daß er sich anzieht, um seine vermeintliche Nacktheit zu verbergen.
Auch vor diesem Gebäude wartete jemand aus Hübners Personal. Eine junge Kollegin. Hübner hatte die Erfahrung gemacht, daß eine Frau sich immer besser von einer Frau beschatten ließ. Als würden Frauen vor Frauen keine Angst haben, sie nicht ernst nehmen, sie schlichtweg übersehen. War das möglich? Jedenfalls wies Hübner seine Mitarbeiterin an, Viola Stransky weiterhin im Auge zu behalten.
»Sie haben gute Arbeit geleistet«, sagte Hübner. Immerhin verdankte man der Kollegin die Kenntnis, in welcher Form Viola Stransky ihre Mittagspause zu verbringen pflegte.
Auf dem Rückweg klingelte Hübners Handy. Mit der Nummer auf dem Display konnte er gar nichts anfangen. »Hallo!«
»Hier
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