Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck
Steinbeck«, meldete sich die Urlauberin.
»Endlich, Steinbeck, wo sind Sie?«
»In Afrika.«
»Wo bitte?«
»In Namibe, Angola. Aber wir bleiben nicht lange.«
»Wer ist wir ?«
»Ich habe Herrn Stransky gefunden.«
»Gefunden?«
»Eine lange Geschichte.«
»Das glaube ich gerne. Ehrlich gesagt, habe ich nicht erwartet, daß der Mann noch lebt. Ist er es wirklich?«
»Ich kann ihn auch wieder zurückschmeißen, wenn Sie wollen. Wir sind hier am Meer.«
»Ihr Humor ist mir richtig abgegangen.«
»Machen wir’s kurz«, sagte Steinbeck. »Ich brauche Ihre Hilfe. Das ist ein wirklich sonderbarer Fall. Und ich weiß nicht so recht, auf wen ich mich dabei verlassen kann. Auf Sie am ehesten. Also: Wir fliegen nach Stuttgart. Können Sie uns von dort abholen? Mit dem Wagen.«
»Wieso Stuttgart?«
»Ich befinde mich in einer Art Räuber- und Gendarmspiel. Würde ich Stransky auf direktem Weg nach Hause bringen, wäre das unklug. Darum über Stuttgart.«
»Ich verstehe die Umständlichkeit nicht«, äußerte Hübner. »Wenn das ein Spiel ist, dann sind doch wir die Gendarmen, oder?«
»Nein, so einfach ist das leider nicht. Also, holen Sie uns ab oder nicht?«
»Natürlich hole ich Sie ab.«
Steinbeck gab Hübner die Ankunftszeit für den folgenden Tag durch. Dann schloß sie: »Kommen Sie lieber allein. Es hat sich in dieser Angelegenheit erwiesen, daß weniger Leute sich besser schlagen.«
»Wie Sie wollen.«
»Bis morgen«, verabschiedete sich Steinbeck. »Und danke.«
»Nichts zu danken«, sagte Hübner, wie man sagt: Ich habe schon wieder Polypen.
Hübner ärgerte sich. Ein lebender Stransky war ihm gar nicht recht. Ein lebender Stransky paßte nicht in sein Konzept. Er würde aufhören müssen, Viola Stransky auf die Pelle zu rücken. Schade drum. Es hätte Hübner gut gefallen, eins von diesen allmächtigen Weibsstücken, die hinter hohen Scheiben saßen und auf die Stadt hinunterschauten, von ihrem Stuhl zu ziehen und in die Untersuchungshaft zu expedieren, wo es dann keine Aussicht mehr gab.
Aber die Aussicht, die fehlte, war leider auf Hübners Seite. Statt dessen Stuttgart.
19
Die inneren Tropen
Baby Hübner war pünktlich. Er war immer pünktlich. Auch in dieser Hinsicht ein alter Sozialist. Alte Sozialisten hatten ständig Angst vor dem Zuspätkommen. Das war praktisch ihre Lehre aus der Geschichte, lieber zu früh loszufahren, als sich gefährlich viel Zeit zu lassen, lieber irgendwo blöd herumzustehen, als im nachhinein die Scherben aufräumen zu müssen.
So spazierte Hübner durch die hohe Halle des Stuttgarter Flughafens, wobei er einen Pappbecher mit Kaffee in der Hand hielt. Er trank nicht, er roch nur hin und wieder daran. Er hatte es mit dem Magen wie die meisten Polizisten. Die Mägen der Polizisten waren lauter kleine, blondgezopfte Mädchen, die sich hinter Sträuchern versteckten und einen Wolf fürchteten, von dem weit und breit nichts zu sehen war. So wenig diese Angst vor Wölfen begründet sein mochte, so bedrohlich waren die Geschwüre, die daraus resultierten.
Aber wenigstens den Geruch von warmem Kaffee wollte Hübner genießen. Er war früh aufgestanden, um rechtzeitig in Stuttgart zu sein. Es war jetzt kurz vor neun Uhr morgens. Steinbecks Flieger sollte demnächst landen. Air France, von Kinshasa aus, via Paris. Draußen am Parkplatz stand Hübners Wagen, ein kleiner Audi oder Ford, vielleicht auch ein VW, schwer zu sagen, aber auch egal.
»Ah, da sind Sie ja, Kollegin«, begrüßte Hübner die Zurückgekehrte. »Sie sehen gut aus. Erholt. Waren Sie am Strand?«
»Ja, Strände kamen auch vor«, äußerte Steinbeck und reichte Hübner ihre Reisetasche.
Mit der nun freien Hand wies Lilli auf den Mann neben sich und stellte ihn vor: »Herr Stransky hat seine Reise nicht bereut. Dank Dronten.«
»Dronten?«
»Große, dicke Vögel«, erklärte Steinbeck, »die nicht fliegen können und die es eigentlich nicht mehr geben dürfte.«
»Muß ich verstehen, was Sie mir erzählen?« fragte Baby Hübner.
»Haben Sie mich je verstanden?« fragte Steinbeck zurück.
»Sie haben recht, Kollegin. Es gibt keinen Grund, zu meinen, es hätte sich in der kurzen Zeit etwas geändert. Dronten also. Sehr gut!«
»Gehen wir rasch auf einen Kaffee«, sagte Steinbeck und begann davon zu berichten, was sie alles erlebt und erlitten hatte, seitdem sie in Athen angekommen war. Sie hielt sich kurz, wodurch die Sache aber nicht einfacher klang, im Gegenteil. Das kennt man. Gerade in
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