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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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annähernd zu ändern. Wäre das ganze Gesicht, wie man so sagt, im Eimer gewesen, hätte auch eine zerdrückte Nase nicht gestört. Manche Menschen sahen nun mal wie Monster aus – was soll’s? Daß aber jemand gegen die massive Beeinträchtigung seiner Hübschheit absolut nichts unternahm, andererseits aber bestens gekleidet und frisiert war, zu jeder Zeit ein perfektes Make-up trug und auch in heiklen Situationen nicht auf modisches Schuhwerk verzichtete, daß so jemand das Schicksal seiner Nase demütig annahm, war den meisten ein Rätsel, viel mehr noch ein Ärgernis. Nicht wenige Männer dachten sich, wenn sie Lilli Steinbeck sahen: Du raffinierte Schlampe! Sie dachten es und ärgerten sich nur noch mehr, weil an Steinbeck der Schlampenvorwurf natürlich abprallen mußte, nicht aber der Vorwurf, raffiniert zu sein.
    Ihr dienstlicher Rang war in keiner Sekunde ein Thema. Sie war einfach die Steinbeck, eine Autorität, und zwar in vielerlei Hinsicht. Das war keine Frage von Sympathie oder Achtung. Eher war es wie bei Geparden. Die sind nun mal die schnellsten Landtiere, ob das den anderen Viechern, den Herren Antilopen paßt oder nicht. Wobei übrigens auch sonst Lilli Steinbeck viel von einer Gepardin hatte, nicht nur der Schlankheit wegen. Geparden fehlt die Möglichkeit, ihre Krallen einzuziehen. Die Weibchen sind Einzelgängerinnen, außer sie haben Junge. Zudem sind Geparde ausgesprochen krankheitsanfällig. Fehlende genetische Variation, heißt es. Na ja, auf Variationen konnte Steinbeck so gut verzichten wie auf herbeigezaubertes Essen. Ohne gleich zu spucken. Sie spuckte nicht, versteht sich. Und sie ging früh schlafen. Was ebenfalls insgeheimen Anstoß erregte: Steinbecks rigoroser Verzicht, sich im Namen der Polizei und des Staates die Nacht um die Ohren zu schlagen. Sie bestand darauf, spätestens um acht zu Hause und um neun im Bett zu sein, um dann mindestens zehn Stunden dem Schlaf und im günstigsten Fall der Erholung zu widmen. Besser waren zwölf Stunden. So toll war das Leben wirklich nicht, um mehr als die Hälfte des Tages bei Bewußtsein zu bleiben.
    »Ich bin Lilli Steinbeck«, sagte die Steinbeck und reichte Viola Stransky die Hand. Den umstehenden Männern, darunter ein Hauptkommissar namens Hübner, warf sie einen In-einem-Aufwaschen-Blick zu. Dann sah sie wieder Frau Stransky an und erklärte ohne Umschweife: »Ich soll Ihren Mann finden.«
    »Gut«, antwortete die Hausherrin und zeigte auf die beiden hellblauen Müllbehälter. Nicht zum ersten Mal erzählte sie, wie erstaunt sie gewesen sei, den Apfel auf der falschen Seite vorzufinden. Diesmal aber hatte sie den Eindruck, daß man ihr auch wirklich zuhörte. Daß man endlich unterließ, unterschwellige Witze über das Verhältnis von Hausfrauen und Obst zu machen.
    »Es wird Zeit, daß wir uns den Apfel genau ansehen«, meinte Steinbeck.
    »Was denken Sie, daß wir finden werden?« fragte Hübner. »Abgesehen davon, was schon gefunden wurde.«
    »Lassen Sie den Apfel einfach abholen. Bitte!«
    Hübner nickte einem seiner Leute zu, welcher sich augenblicklich auf den Weg machte.
    Das war er also, der altgediente Friedo Hübner, den alle, war er gerade nicht in der Nähe, Baby Hübner nannten, und zwar nach dem kleinen Wildschwein aus dem Marionettenspiel der Augsburger Puppenkiste »Katze mit Hut«. Wobei Hauptkommissar Hübner mit seiner rosigen Gesichtsfarbe und den stets feuchten kleinen Augen eher an ein Hausschwein als ein Wildschwein gemahnte. Wie auch immer, Baby Hübner war ein rundlicher, mittelgroßer Mann mit geradezu winzigen Händen, der genausogut fünfundvierzig wie fünfundfünfzig sein konnte, genausogut ein netter Kerl wie ein durchtriebener Querulant. Man wußte es einfach nicht. Niemand hätte sagen können, ob man Baby Hübner trauen konnte, ob er korrupt war oder unbestechlich wie Steinbeck. Ob er zum Frühstück lebende Goldfische verspeiste oder liebevoll den Tisch für sich und seine Frau deckte.
    Hübner wandte sich an Viola Stransky und fragte, ob es in letzter Zeit irgendwelche Auffälligkeiten gegeben hätte.
    »Ein Apfel, der durch die Scheibe flog«, erinnerte Frau Stransky.
    »Und davor?«
    »Nichts.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Zweifeln Sie an meinem Gedächtnis oder an meiner Wahrnehmungsgabe?«
    »Auch intelligente Menschen können etwas übersehen«, erinnerte seinerseits der Kriminalist. »Ich würde jetzt gerne die Wohnung durchsuchen lassen. Behutsam und mit Ihrer Erlaubnis, versteht

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