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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Es war ja sicher nicht so, daß man erst nach Auschwitz keine Gedichte mehr schreiben konnte. Da hätte man auch schon vorher Gedichte nicht mehr verfassen dürfen. Auf Gedichte hätte man so gesehen die längste Zeit verzichten müssen.
    »Meine Güte«, sagte Lilli Steinbeck, die bereits einiges in ihrem Leben hatte aushalten müssen. Aber es war wohl nicht zuletzt die Art der Präsentation, die sie schockte. Weil eben all diese unaussprechlichen Abbildungen hier im Stile einer frühen Gemäldesammlung ausgestellt waren. Und somit den Charakter purer Dokumentation verloren, welche Steinbeck ja bestens vertraut war von den Schautafeln bei Einsatzbesprechungen wie auch aus manchen Akten oder der einschlägigen kriminalistischen Fachliteratur. Hier jedoch war die Distanz reiner Berichterstattung einer persönlichen Musealisierung gewichen. Der Rahmen bestimmte das Bild.
    Ein weiterer Schock bestand für Steinbeck darin, daß wohl niemand anderer als Spiridon Kallimachos diese Inszenierung vorgenommen haben konnte. Dies war seine Wohnung.
    Steinbeck drehte sich zu Stirling hin und fragte ihn, eher brüllte sie ihn an: »Wußten Sie davon?«
    Sie hätte ihn nicht fragen müssen. Stirling war bleich wie alter, weißer Kunststoff. Er schwitzte stark und nahm die gekrümmte Haltung von Leuten ein, die mit ihrer Übelkeit ringen. Er schüttelte bloß den Kopf, während er auf den Boden stierte.
    Einen Moment verachtete sie ihn dafür, daß er sich abwandte. Tom, der Vormensch, hätte sich nicht abgewandt, Tom hätte gelitten, Tom hätte vielleicht gezittert, aber er wäre niemals nach hinten getreten, um sich abzuwenden.
    Steinbeck kehrte wieder zu den Bildern zurück. Sie war jetzt entschlossen, den Sinn dieser Zurschaustellung zu begreifen. Und dann sah sie es, bemerkte dieses eine Bild, das wie alle Fotos hinter Glas lag und welches in einem Louis-XVI-Porträtrahmen steckte. Die Abbildung war zur Gänze von einem grünlichen Licht bestimmt. Das Foto gehörte zu den wenigen Abzügen hier, die auf den ersten Blick gestellt wirkten. Aber dieses Bild war nicht gestellt, bei Gott nicht, das wußte Lilli Steinbeck nur allzu gut. Sie selbst war es ja, die darauf zu sehen war. Mit zusammengepreßten Lippen und krampfartig geschlossenen Augen. Man erkannte, daß eine fremde Hand, die einen ellenbogenhohen, mit Zacken versehenen, schwarzen Handschuh trug – einen Batmanhandschuh –, Steinbecks Haare gepackt und ihren Schädel nach vorn gezogen hatte, so daß ihre Lippen die Spitze eines Fischmauls berührten. Der schräg aufgerichtete Fischleib ragte aus einem Hosenschlitz heraus, das Fischmaul war leicht geöffnet. Man sah kleine, weiße, sehr spitze Zähne aufblitzen. Die Zähne waren das einzige auf diesem Bild, das von der grünlichen Einfärbung verschont blieb. Was auf eine nachträgliche fototechnische Behandlung schließen ließ. Der Batman selbst war nicht zu sehen, nur sein Arm und ein Stück des vorgereckten, zumindest aus dieser Perspektive auffallend spitzen Kinns.
    Das Bild betrachtend, war Steinbeck mehr denn je der Ansicht, daß in dem Fischleib das aufgerichtete Glied des Angreifers gesteckt hatte und sie also gezwungen gewesen wäre, sich mit einem Biß in den Fisch, und damit in das Geschlecht des Mannes, zu retten. Da war es natürlich besser gewesen, daß die griechische Polizei das Ungeheuer rechtzeitig von ihr heruntergeschossen hatte.
    Wieso besser? Eine Kugel, die auch traf, war immer eine Gnade. Und selbst die geringste Gnade noch hatte dieser Dreckskerl nicht verdient gehabt. Somit wäre es angebracht gewesen, den Kampf aufgenommen zu haben. Den Kampf gegen solche Monster. Und Monster gab es nun mal, gleich was die Aufgeklärten einem einzureden versuchten. Es gab sie. Die Fotos in diesem Raum bewiesen ihre Existenz. Eine Existenz, die sich mit keinem biographischen Rückblick, keinem Trauma erklären ließ. Absolut nichts eignete sich, einen Menschen dahin zu treiben, solche Dinge zu tun, wie man sie auf diesen Fotos sah, und die allein sich vorzustellen die Möglichkeiten eines menschlichen Hirns eigentlich sprengten. Und damit die Möglichkeiten der menschlichen Sprache.
    Steinbeck überlegte, daß sie damals sofort hätte zubeißen müssen. Ein Monster von der Polizei erschießen zu lassen, genügte nicht. Es genügte auch nicht, es hinzurichten oder einzusperren. Das einzige, was ein Monster beeindrucken konnte, war, wenn sein Opfer sich wehrte, effektiv wehrte. Nicht kreischte oder flehte oder

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