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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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lag und in der sie unförmiger aussahen, als sie waren.
    (Es ist übrigens ein kleiner netter Zufall, daß in jenem Jahr 1995, als Dr. Antigonis zehn Fledermäuse an zehn Männer verteilte, die ersten Fiat Barchetta vom Band rollten, von denen einer dereinst in Stirlings Besitz übergehen würde. Und daß genau zehn Jahre später, als das Spiel zwischen Dr. Antigonis und Esha Ness aufgenommen wurde und ein Spielstein nach dem anderen fiel, der letzte Fiat Barchetta die Werkstore verließ. Zehn Jahre, zehn Fledermäuse, zehn Männer. Zehn ist eine gute Zahl. Sehr viel besser als eine komische Fünf. Jedes Kind wird das bestätigen.)
    Eingepackt in die perfekte Fiat-Hülle fuhr man los. Es war jetzt kaum etwas auszumachen, nur eine Wand von Wasser, durch die Stavros Stirling ohne sichtliche Aufregung das kleine Boot steuerte. Der Regen trommelte mit größter Wucht auf das Stoffdach. Es klang sehr nach einem Chor, der unisono in den Wahnsinn driftet. Es dampfte, die Scheiben beschlugen. Steinbeck nahm ein Taschentuch, um die Windschutzscheibe trokken zu reiben, auf daß man wenigstens sehen konnte, daß man nichts sah. Stirling chauffierte den Wagen in einer Art und Weise, als bediene er ein Gefährt auf Schienen. Irgendwann bremste er und sagte: »Wir sind da.«
    Schirmlos den Wasserfall durchschreitend, gelangten der Grieche und die Österreicherin an ein türloses Tor und in einen engen, dunklen Gang.
    »Kallimachos wohnt oben«, erklärte Stirling.
    »Gibt es hier einen Lift?«
    »Nein.«
    Steinbeck betrachtete verdutzt das Stiegenhaus. Sie konnte sich kaum vorstellen, wie Kallimachos seinen schweren, ausufernden Körper diesen schmalen Kanal hochschleppte. Andererseits wußte sie ja, daß die Dinge Kallimachos auszuweichen pflegten, zur Seite gingen. Vielleicht nicht nur Kugeln aus Pistolen, sondern auch Stiegenhäuser.
    An der Wohnungstüre angelangt, klopfte Stirling. Nach dem dritten Mal sagte er: »Kein Kallimachos. Anzunehmen, daß er von seiner Reise noch nicht zurück ist.«
    »Und wenn doch? Vielleicht liegt er da drinnen und braucht unsere Hilfe«, meinte Steinbeck. Aber das meinte sie nicht ernst. Vielmehr wollte sie in diese Wohnung hinein, um etwas zu finden, was ihr erklärte, wer Spiridon Kallimachos wirklich war. Also schlug sie vor, einfach nachzusehen.
    »Die Türe ist versperrt«, erklärte Stirling.
    »Meine Güte, Stavros, stellen Sie sich doch nicht so an. Brechen Sie sie einfach auf. Sagen wir, es sei Gefahr im Verzug.«
    »Es ist keine Gefahr im Verzug«, bemerkte der Grieche.
    »Es ist immer Gefahr im Verzug«, bemerkte die Österreicherin.
    Und da hatte Lilli Steinbeck natürlich recht. Es wäre einiges zum Besseren bestellt gewesen, hätte man das Prinzip der im Verzug befindlichen Gefahr ernster genommen und ein paar Leute in Handschellen gelegt, bevor sie noch dazu kamen, Unglück zu stiften.
    Stirling seufzte. Er hätte sich gerne geweigert, wäre er nicht übergezeugt gewesen, daß nur Lilli Steinbeck das Schlafproblem seines Sohnes in den Griff bekommen konnte. Er spürte das. Er spürte die unbedingte Schlafkompetenz dieser dünnen Frau. Und das war ihm nun mal derzeit das Wichtigste auf der Welt, daß Leon wieder aus seiner Schreierei herausfand. Wichtiger als eine Türe. Also setzte er einen Schritt zurück, zog sein rechtes Knie bis zur Brust hoch und katapultierte das Bein mit vorgezogener Ferse gegen das Türschloß, welches mit der gleichen Leichtigkeit aufsprang wie am Tag zuvor die Türe eines Stuttgarter Naturkundemuseums.
    »Darf ich vorgehen?« fragte Stirling und zeigte auf die Öffnung eines fensterlosen und unbeleuchteten Vorraums.
    »Sie sind ein Schatz«, sagte Steinbeck.
    »Gerne«, antwortete Stavros und ging los.
    Was gerne?
    Steinbeck folgte ihm in eine Dunkelheit hinein, die vom geringen Licht des Flurs unbeleckt blieb. Nach zwei, drei Schritten ergab sich eine Schwärze wie in einem Kino nach Ende des Films. Die Enge war bloß zu spüren, die Dinge bloß zu riechen, die hohen Regale mit alten Zeitungen und alten Schuhen und einem Vorrat an fragwürdigen Lebensmitteln. Steinbeck registrierte einen Schwindel, eine spiralige Rutsche im Kopf, auf der ihr Hirn hinabfuhr. Sie hob ihren Arm und faßte mit einer geflüsterten Entschuldigung nach der Schulter des schönen England-Griechen. Nun ja, das Schwindelgefühl wurde davon nicht geringer, allerdings angenehmer. Es tat gut, diese Schulter zu spüren, die etwas von einem glattpolierten Stein hatte, einem

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