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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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stante pede den Verstand verlor, sondern, wenn es sich aus der eigenen Schwäche herauskatapultierte. Auch im gefesselten Zustand noch. Etwa durch ein simples Lächeln. Und sei’s mit den Augen. Ein Opfer, das herausfordernd lächelte, konnte einem Monster zusetzen. Konnte ein Monster sprengen.
    »Ich hätte lächeln müssen«, dachte Steinbeck, »lächeln und dann zubeißen.« Statt dessen hatte sie Augen und Mund zusammengepreßt und ihr tiefes Entsetzen zum Ausdruck gebracht. Das Monster, das auf ihr gesessen hatte, war mit dem befriedigenden Anblick dieses verursachten Entsetzens gestorben. Scheiße!
    Die Chance war vergeben. Die Wut darüber beträchtlich. Steinbeck verformte ihre rechte Hand zu einer Faust und schlug ansatzlos auf das Bild, welches ihre Niederlage belegte. Solcherart brach sie durch das Schutzglas. Und war dabei so heftig gewesen, daß sich einige Splitter durch die Haut und ins Fleisch bohrten.
    »Mein Gott, was tun Sie denn?!« Stavros war zu Lilli geeilt und griff nach ihrer Hand, sah sie sich an und begann sogleich damit, die Splitter herauszuziehen.
    »Hören Sie auf«, sagte Lilli. »Sie machen sich noch blutig.« Sie entzog dem schönen Griechen ihre verletzte Hand und entfernte eigenhändig die übrigen Scherben. Sie war jetzt ruhig und gefaßt. Sie griff nach einem Erfrischungstuch der Marke 4711, das sie stets bei sich in der Tasche mitführte, breitete die alkoholgetränkte Fläche aus, legte sie über die blutenden Fingerknöchel und bildete erneut eine Faust, in welcher sie die Ecken des Tuchs fixierte. Ohne große Umstände hatte sie die eigene Verarztung umstandslos bewerkstelligt und holte nun den Rahmen von der Wand, reichte ihn Stirling und bat ihn, die Fotografie herauszunehmen. Was Stirling tat und ihr das bloße Bild übergab.
    Steinbeck ersparte sich eine weitere Betrachtung der Vorderseite, drehte das Papier zwischen den Fingern, als setze sie einen Kreisel in Bewegung, und musterte sodann die Rückseite. Auf der weißen, glänzenden Fläche war in der rechten unteren Ecke ein Stempel angebracht:
    Studio Suez
    Darunter war eine Adresse zu lesen. Steinbeck fragte Stirling: »Wo liegt das?«
    Stirling erklärte, es handle sich um ein Gäßchen hinter dem Archäologischen Museum. Das Studio selbst sei ihm allerdings unbekannt.
    »Suez klingt nicht unbedingt griechisch«, meinte Steinbeck.
    Stirling zuckte mit der Schulter. Er fühlte eine große Not in sich. Er wäre jetzt gerne etwas trinken gegangen. Aber Lilli Steinbeck war noch nicht fertig. Sie bewegte sich weiter entlang der Bilderwand, nun jedoch nicht mehr geschockt, sondern pragmatisch. Sie wußte, wonach sie suchte. Und fand es. Ein Bild, auf dem Kallimachos zu sehen war. Das einzige Foto, das keinen entstellten Körper, kein von Schrecken und Schmerzen ausradiertes Gesicht zeigte, nur einen fettleibigen Mann, der nackt und schweißgebadet an einen Stuhl gefesselt war. Rechts und links davon uniformierte Männer, auch sie schwitzend, mit aufgekrempelten Ärmeln und offenen Hemdkragen, einige hatten Stangen in den Händen. Im Hintergrund war eine technische Apparatur zu erkennen, eine Maschine zum Verteilen von Stromstößen. Kallimachos, der auf diesem Bild um vieles jünger war und dessen Fettleibigkeit die Frische eines gerade aufgetauchten Nilpferdbabys besaß, wirkte trotz der körperlichen Unversehrtheit gequält. Allerdings schien dieses Gequälte daher zu kommen, daß Kallimachos scharf nachdachte. Oder ihn diese ganze Situation langweilte. Die Männer, die Kallimachos umgaben, wirkten ebenfalls gequält. Doch was sie quälte, war mit Sicherheit die Unmöglichkeit, einen gefesselten, schwabbeligen, rotgesichtigen Kerl auch nur zu verprügeln. Geschweige denn ihn totzuschlagen. Es war wohl so gewesen, daß die Metallstangen sich um den Körper des Kallimachos herumgewunden, sich wie von Zauberhand gebogen hatten. So wie dann auch der Strom nicht durch den Delinquenten gefahren, sondern an ihm vorbeigeflüchtet war.
    Einen offenkundigen Supermann, einen unverletzbaren Achilles hätte dieser Haufen tollwütiger Sadisten noch ausgehalten, aber die Überlegenheit eines kurzatmigen Fleischberges mußte ihnen als purer Hohn erscheinen. Sie standen da, als würden sie demnächst vor lauter Wut zerspringen. Folterknechte am Ende ihrer Macht. Gestürzte Teufel.
    Lilli Steinbeck griff auch nach diesem Bild, auf daß Stirling es aus dem Rahmen löste. Auf der Rückseite war erneut der Stempel des Studios Suez

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