Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck
auf Lilli befreiend, so zu sprechen, auch wenn der Batmanmann sie wahrscheinlich gar nicht verstand. Allerdings verstand er mit Sicherheit den Klang in ihrer Stimme, dieses betont Verruchte und Schamlose und Nuttige. Ja, der gute Mann mußte erkennen, daß er es diesmal weder mit einem heulenden kleinen Mädchen noch mit einer flennenden alten Kuh zu tun hatte. Jedenfalls mit keinem Opfer. Und wenn er klug gewesen wäre, dann hätte er entweder augenblicklich geschossen, oder er hätte die Waffe wieder in seiner Hose verschwinden lassen.
Aber der Batmanmann blickte gebannt auf Lilli, wie sie jetzt die viereckig profilierte Laufwandung zwischen die Lippen nahm und so tief als möglich in ihren Rachen gleiten ließ, wobei es sie in keiner Weise zu stören schien, daß ein Teil der Fläche mit einer Pfefferpaste beschmiert war.
Und wie es sie störte! Es brannte höllisch. Feuer im Kopf. Sie spürte die Tränen, drängte die Tränen zurück, zwang sich zur Disziplin, wurde kalt. Sie tat, als fühle sie sich großartig. Sie lächelte. Sie entließ ein schmatzendes, speicheliges Geräusch, um im Zuge eines sich steigernden Auf und Ab der Bewegung die »versaute« Verlaine mit einer gehörigen Portion Oralsex zu bedienen. Und damit auch den Batmanmann, der sich eigentlich wehren wollte. Das war ja um Himmels willen nicht das, was er vorgesehen hatte. Natürlich, er wollte einen geblasen bekommen, beziehungsweise, daß seine Pistole einen geblasen bekam, das schon, aber eben von einem Opfer, einem winselnden, vor Übelkeit und Furcht bleichen Menschlein, nicht von einer ganzen Frau, die ihren Spaß zu haben schien. Die diesen Job erledigte, als sei das ihr Traumberuf. Und als wäre die Pfefferpaste auf ihren Lippen ein Gottesgeschenk.
So sehr der Batmanmann wußte, daß hier etwas völlig falsch lief, gelang es ihm nicht, sich loszureißen. Er stierte hinunter, erstarrt, bestürzt, verwirrt, nichtsdestotrotz erregt, als hätte er gegen jede Wahrscheinlichkeit eine echte Geliebte gefunden, eine Frau, die ihn verstand und mit der er richtigen Sex haben konnte. Na ja, richtigen Sex mit einer Waffe, einer Waffe, die der Fledermausmensch als einen wesentlichen Teil von sich selbst begriff, als sein wahres Geschlecht und sein wahres Wesen.
Was Lilli nun gar nicht gefallen hätte, wäre gewesen, wenn dieser kranke Typ begonnen hätte, über die eigene Irritation hinweg seinen Spaß zu haben. Wenn es ihm gelungen wäre, sich in die neuen Verhältnisse einzufinden. Es war also höchste Zeit, Schluß zu machen. Und zwar wirklich.
Sehr rasch glitt Lilli mit den Lippen bis an die Austrittsstelle des Schußkanals, stemmte ihre vom Schmerz ganz harte Zunge gegen die Unterseite der Umwandung und drückte den Pistolenlauf aus ihrem Mund heraus, beließ aber die Zunge, wo sie war, schob das Kinn nach vorn und beförderte die Waffe in eine fast senkrechte Position. Im nächsten Moment schloß sie doch noch ihren Mund und ihre Augen und stieß mit voller Wucht ihre flache Gesichtsmitte auf die Verlaine, welche solcherart gegen den Magen des Batmanmanns prallte. Die Ordnung war dahin. Der Finger am Abzug ging nach hinten. Ein Schuß löste sich.
Die Flugbahn des nun austretenden Projektils kann man durchaus als ideal bezeichnen. Da nämlich im Zuge von Steinbecks Attacke der Kopf des Batmanmanns ein Stück vorrückte und der Lauf der Waffe beinahe vertikal nach oben wies, drang die abgefeuerte Kugel auf der Kinnunterseite in den Mann ein, querte den Rachenraum, durchflog exakt den kleinen Bereich der Keilbeinhöhle und drehte sich sodann in das Großhirn, wo sie einigen Schaden anrichtete, bevor sie durch das rechte Scheitelbein wieder austrat, den freien Raum passierte und in der Weiße eines verputzten Plafonds steckenblieb.
Der Batmanmann war augenblicklich tot. Sein schwerer Körper fiel felsartig vornüber, wie um Lilli wenigstens noch zu erschlagen. Aber Lilli ließ sich nicht erschlagen. Sie drehte ihren Kopf samt der gefesselten Arme zur Seite, sodaß der Schädel des Maskenmanns in die Leere des Leintuchs donnerte. Freilich war Lillis Unterleib noch immer eingeklemmt. Es gelang ihr aber, sich herauszuwinden. Dabei rutschte sie vom Bett. Der Lärm, den sie damit verursachte, führte sowenig zum Erwachen des kleinen Leon wie zuvor der noch viel lautere Schuß und der kurze Aufschrei des Getroffenen. Das alles schien in keiner Weise geeignet, den mehr als gerechten Schlaf dieses Kindes zu unterbrechen. Eines Kindes, das sich von
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