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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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übrigblieben, nein, indem diese Lucy und dieser Tom sich küßten, erhielten sie einen Teil von sich aufrecht. Auch, als sie sich wieder voneinander lösten und sich wortlos die Unmöglichkeit ihrer Beziehung im Hier und Jetzt eingestanden, 3,2 Millionen Jahre später, im Zeitalter der Fledermäuse, der Waschmaschinen, der Diätcolas und Vorsorgeimpfungen. Aber da war kein Schrecken über das, was sie getan hatten, sondern ausschließlich tiefes Einverständnis. Dazu brauchte es nicht einmal ein »Du«.
    Stirling lächelte in der Manier des »letzten Gentlemans«, dann erklärte er, zu Pagonidis zu gehen und ihn darüber zu informieren, was geschehen sei. Bevor dieser sich etwas Eigenes zusammenreime.
    »Tun Sie das«, meinte Lilli. Kurz überlegte sie, ob sie noch die Sprache auf Dr. Antigonis bringen sollte, der ja immerhin behauptet hatte, ihr die erste Fledermaus geschickt zu haben. Aber sie ließ es bleiben, mit Kommissar Pagonidis darüber reden zu wollen. Auch mit Stavros nicht. Sie würde die Sache selbst erledigen. Was ja eigentlich nur bedeutete, diese Geschichte zu einem Ende zu führen. Denn manche Dinge brauchen ein Ende, etwa Romane oder Boxkämpfe oder Glühbirnen.
    Lilli stieß sich vom Geländer ab und ging zu Inula in die Küche, wo sie den kleinen Leon wieder in ihre Arme nehmen durfte. Über das, was geschehen war, sprach man nicht. Sondern über angenehme Dinge wie die richtige Zubereitung von grünem Tee. Die Chinesen etwa … Dabei wurde Leon zwischen den beiden Frauen hin und her gereicht. Das gefiel ihm außerordentlich. Immerhin besteht ja ein großes Bedürfnis des Menschen darin, das Regelmäßige mit der Abwechslung zu verbinden, Routine und Abenteuer zu verkleistern, da und dort zu sein, ja und nein zu sagen. Im Falle Leons: Bei Mama zu sein und nicht bei Mama zu sein.
    Der Kleine fühlte sich wohl. Die beiden Frauen tranken Tee. In den anderen Zimmern standen Männer herum und wußten nicht weiter.

23
    Tulpen
    Am nächsten Tag herrschte die alte Hitze. Worüber Lilli erfreut war, da sie noch einmal ihr brotteigfarbenes Löcherkleid anziehen konnte. Sie gehörte nicht zu diesen Frauen, denen es schwerfiel, etwas zweimal zu tun. Vor allem nicht, wenn es perfekt war. Und dieses Kleid mit seinen hübschen Perforationen war nun mal perfekt. Perfekt wie ein drei Millionen Jahre alter Kuß. Zudem ideal, um in den Kampf zu ziehen. Wie auch immer der Kampf aussehen mochte.
    Bevor sie die Ouzerie mit dem Namen Dreiundzwanzig Nymphen hocken in einer Flasche erreichte, suchte sie die Wohnung des Spiridon Kallimachos auf. Die eingetretene Wohnungstüre war in derselben Weise angelehnt, wie man sie am Vortag zurückgelassen hatte. Lilli klopfte. Keine Antwort. Sie öffnete, durchquerte den dunklen Flur, das Teppichland des Wohnzimmers und überprüfte die Bildergalerie des Unaussprechlichen. Doch keine Spur von Kallimachos.
    Sie verließ wieder das Haus, hielt ein Taxi an und ließ sich zu dem Platz fahren, an dem das Nymphenlokal lag. Die Sonnenschirme warfen limonadenfarbene Schatten auf die Besucher und die Tische mit den vielen, kleinen weißen Tellern, darauf glänzende Fangarme zum Verzehr. (Wenn immer wieder die Frage gestellt wird, warum Außerirdische, welche angeblich längst auf der Erde gelandet sind, sich nicht zu erkennen geben, sollte man vielleicht einmal unsere Eßgewohnheiten ins Kalkül ziehen. Diese vielen abgeschlagenen Glieder, die sich auf unseren Tellern finden.)
    Dr. Antigonis wartete bereits. So eine Art Bodyguard stand in seiner Nähe, die Hände am Rücken.
    »Denken Sie etwa«, fragte Lilli und ließ sich die Hand küssen, »daß Ihnen so ein Gorilla nützt, wenn es hart auf hart geht.«
    »Wenn es hart auf hart geht, Madame, verlasse ich mich auf meine Intelligenz. Und wenn meine Intelligenz versagt, hilft auch kein Gorilla. Auch keine Armee von Gorillas. Andererseits fühle ich mich verpflichtet, ein Bild zu erfüllen. Und zu diesem Bild gehören nun mal auch Leibwächter, so wenig sie nützen mögen. Auch Silberbesteck nützt nicht – ich meine, kein Essen wird davon besser –, und dennoch bevorzuge ich es.«
    »Und ich bevorzuge den Ouzo, den man hier serviert.«
    »Gerne«, sagte Antigonis und hob seine Hand. Er schnippte nicht etwa, weder winkte noch fuchtelte er. Er zog die Hand nur ein kleines Stück in die Höhe. Wie um sie auf dem Rükken einer unsichtbaren Dogge abzulegen. Sofort stand ein Kellner zur Seite. Antigonis bestellte. Er sprach freundlich.

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