Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck
Sie erkannte einen hellen Mund und ein helles Kinn unter dem Dunkel einer Maske mit spitzen Ohren. Batman!
Der Fledermausmann war zurückgekehrt. Wobei es sich aber wohl kaum um denselben handeln konnte, den die griechische Polizei mit ein paar gezielten Treffern von Lilli heruntergeschossen hatte.
Warum eigentlich nicht?
Wie sicher konnte Lilli denn sein, daß der Mann wirklich tot gewesen war? Schließlich hatte sie die Leiche nie zu Gesicht bekommen, sich bloß auf die Aussage von Pagonidis verlassen. – Nein, das stimmte nicht. Es war Stavros Stirling gewesen, der erklärt hatte, der als Batman verkleidete Angreifer sei tot. Und auch Stirling allein war es gewesen, der behauptet hatte, Pagonidis würde nicht zulassen, daß sie, Steinbeck, sich den Toten einmal ansehe. Der gute Stavros Stirling hatte ihr diesen »toten Mann« verkauft. Einen toten Mann, dessen wahre Identität niemals ein Thema gewesen war.
Lilli mußte nun feststellen, daß ihre Hände, die sie hinter dem Kopf verschränkt hatte, mit irgendeinem festgezogenen Band fixiert waren, derart, daß es ihr nicht gelang, diese über den Kopf zu ziehen.
Lilli Steinbeck war also gefesselt, aber nicht geknebelt. Sie hätte um Hilfe schreien können. Was sie freilich unterließ. Eine knappe Geste des Batmanmanns hielt sie davon ab. Der Kerl hatte einen schwarzen Finger senkrecht auf seine geschlossenen Lippen gelegt, während er mit der freien Hand hinüber zu einem Stuhl wies. Da das Licht der Nachttischlampe brannte, konnte Lilli erkennen, daß der kleine Leon auf einem breiten Armsessel lag. Er war seitlich gebettet worden. Ein zusammengerolltes Tuch bildete eine Barriere, die verhindern würde, daß er bei einer Bewegung herunterfiel. Der Kleine schlief noch immer. Lilli vernahm sein gleichmäßiges, ein wenig angestrengt klingendes Schnaufen.
So sorgsam der Batmanmann das Baby plaziert hatte, so klar war aus dem Grinsen hinter seinem gestreckten Finger zu erkennen, daß er dies nur getan hatte, um Lilli Steinbeck besser daran erinnern zu können, lieber still zu sein. Still und willfährig. Der Batmanmann griff sich an den Hosenschlitz.
Na gut, dachte Lilli, dann bringen wir das halt hinter uns. Das ist nämlich der eigentliche Sinn des Lebens. Die Dinge hinter sich zu bringen. Auch solche.
Lilli roch bereits den Pfeffer. Nicht zuletzt, weil sie diesen Geruch erwartet hatte. So wie sie einen Fisch erwartet hatte. Aber es war kein Fisch, der da aus der Hose rutschte, sondern der Lauf einer Pistole. Der dünne goldene Streifen zu beiden Seiten war unverkennbar, natürlich eine Verlaine.
Der Mann, der solcherart – mit Gummimaske und Lederkostüm und einer aus seinem Hosenschlitz herausstehenden Waffe – auf Lilli Steinbeck saß, während keine drei Meter entfernt ein Baby schlief, dieser Mann also, sagte etwas auf griechisch. Er lachte und zeigte auf die Waffe. Es war klar, was er wollte. Lilli sollte den Kopf heben und den Lauf in den Mund nehmen. Sie sollte dieses verdammte Ding blasen. Und am Schluß würde es wohl so sein, daß dann das verdammte Ding sie blasen würde.
Der Batmanmann verzichtete diesmal darauf, Lilli an den Haaren zu packen. Vielmehr wies er mit der behandschuhten Rechten sein Opfer an, hochzukommen und sich das Gerät in die Mundhöhle einzuführen. Seine linke Hand steckte in der Hose, den hinteren Teil der Waffe so umfassend, daß er jederzeit abdrücken konnte.
Lilli bekam also ihre Chance, die Sache anders anzugehen als beim letzten Mal, nicht vor lauter Ekel und Angst zu versteinern, sondern diesem Monster die Stirn zu bieten. Viel mehr als diese Stirn hatte sie auch gar nicht zur Verfügung. Die Stirn und die Augen unter dieser Stirn. Und den Mund unter diesen Augen. Sie sah den Batmanmann herausfordernd an, kurz nur, richtete sodann ihren Blick abwärts und sagte: »Na komm her, mein Kleiner.«
Sie meinte nicht den Mann, sie meinte die Waffe. Sie tat so, als sei sie jetzt einzig und allein mit dieser Verlaine zusammen und der Fledermausmensch nicht mehr vorhanden. Lilli vollzog in diesem Moment eine beispiellose pornographische Nummer, rekelte sich mit kreisenden Schultern und stöhnte in Erwartung des kalten Metalls. Sie öffnete ihren Mund in der Art eines dieser parasitären Fische, die sich an anderen Fischen festsaugen.
»So, du versauter kleiner Möchtegernpimmel«, sprach Lilli praktisch in den Schußkanal hinein wie in eine Harnröhre, »ich werd dir deine eigene Munition ins Hirn blasen.«
Es wirkte
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