Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
natürlich beträchtlich. Die Uniformierten wußten nicht, was sie denken sollten. Und Lilli, ohnedies mit einem Baby beschäftigt, tat sich schwer, ihnen begreiflich zu machen, was geschehen war, was der tote Batman zu bedeuten hatte. Und wieso zwei bewußtlose Personen im Bett lagen. Sie versuchte es zwar mit Englisch, aber entweder waren die Beamten des Englischen nicht mächtig, oder sie waren es, verstanden aber dennoch nicht. Letzteres ist anzunehmen.
    Es folgten noch viele weitere Polizisten, darunter die in Zivil auftretenden der Kriminalabteilung, dazu zwei Ärzte und die Leute von der Spurensicherung, die wie üblich aussahen, als übten sie den Umgang mit Giftgas. Erst die Spurensicherung machte aus einem Tatort eine bedeutungsschwangere Stätte, verzauberte und dämonisierte ihn.
    Eigentlich hatten die Beamten vorgehabt, Lilli Steinbeck festzunehmen. Aber wie nimmt man jemand fest, der ein Baby im Arm hält? Also wartete man ab. Wartete auf Pagonidis. Als er eintrat und Lilli erblickte, runzelte er die Stirn. Sein Gesicht war ein eingestürztes Gebäude, unter dem er hervorsah. Als betrachte er das Ende der Welt.
    Auch Pagonidis ließ Lilli nicht festnehmen, sondern sah nach seinem jungen Kollegen Stirling, der gerade wieder zu sich kam. Kurz darauf erwachte auch Inula. Als sie wenig später endlich Leon an sich drücken konnte, fühlte sie einen wohligen Schmerz, wie nach einer ungemein leichten Geburt. Leon lächelte. Nun, er würde nicht ewig lächeln. Allerdings war er gerade viel zu beschäftigt, um zu schreien, zu sehr interessierte ihn der Auftritt so vieler fremder Menschen in der vertrauten Umgebung. Seine Äuglein rotierten. Die nackten Beinchen zappelten. Wurde er angelacht, lachte er zurück. Für einen Moment war sein Leben heiteres Pingpong.
    »Ein Kind aus der Hand zu geben, tut immer weh, auch wenn es nicht das eigene ist«, erklärte Lilli, als sie sich mit Stirling auf den Balkon zurückzog. Gleich darauf berichtete sie, was geschehen war. Mit einer Ruhe, als erzähle sie eine fremde Geschichte, einen merkwürdigen Film. Am Ende ihres Berichts stellte sie die Frage, die ihr als entscheidend erschien: »Der erste Batman, der mich überfiel, wurde der wirklich erschossen?«
    »Natürlich. Was denken Sie denn?«
    »Ich denke, daß die griechische Polizei mit falschen Karten spielt.«
    »Da irren Sie sich. Der erste Batman ist so tot wie dieser hier. Man kann davon ausgehen, daß es mehrere gibt. So eine Art Club.«
    »Der Club der toten Tiere«, spottete Steinbeck. Mit einem Mal spürte sie eine große Schwäche in sich, ein Nachgeben der Beine, eine »Verweichlichung«. So wie es Viola Stransky ergangen war, als sie ihres toten Liebhabers ansichtig geworden war und sich für einen Moment an Kommissar Hübner hatte festhalten müssen. Auch Lilli brauchte jetzt einen Halt, allerdings hatte sie das Glück, mit Stavros Stirling über eine sehr viel anziehendere Stütze zu verfügen.
    »Verzeihen Sie, Stavros«, sagte sie, umfaßte mit ihren Händen seine Taille, drückte ihn leicht an sich und ließ ihren Kopf auf seine Schulter fallen. Das erinnerte schon sehr an die Art und Weise, wie der kleine Leon das tat, wenn Lilli ihn zu sich nahm. Ja, auch Lilli war erschöpft vom Leben, nicht zuletzt erschöpft von der Kälte und Sachlichkeit, mit der sie den Dingen begegnen mußte. Weil leider Gottes nur diese Kälte und Sachlichkeit den Dingen gewachsen war. Diesem ganzen Fledermauszeug.
    »Das ist in Ordnung«, sagte Stavros. Er sagte es nicht nur. Er erwiderte den Druck. Und als Lilli ihren Kopf hob, da legte Stavros seine Lippen auf die ihren.
    Sofort bestätigte sich die Impression, die Lilli beim ersten Anblick dieser Lippen gehabt hatte. Daß sie nämlich gehäkelt seien. Genauso spürten sie sich auch an, stabiles Garn, netzartig verbunden, eine biegsame Kette von Schlaufen, fest, aber nicht hart, in der Art jener kleinen Schühchen, wie man sie früher für die Jüngsten angefertigt hatte. Ja, wenn diese Lippen etwas erfüllten, dann das Prinzip fast jeder Häkelei, sich um Handarbeit zu handeln.
    Diese Lippen waren Handarbeit. Und wenn ein bestimmtes Kleid an einem bestimmen Tag gut und richtig war, dann war es jetzt auch gut und richtig, daß Lilli ihren Mund gegen diese Lippen preßte. Ja, da war sie wieder, die Savanne … Lucy und Tom.
    Doch diesmal war es nicht so, daß die Zeit im Bruchteil einer Sekunde verflogen war und bloß ein paar Knochen mit der Bezeichnung AL 288-1

Weitere Kostenlose Bücher