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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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sollte. Andererseits … Ein solches Vorgehen würde seine eigene Position schwächen. Er würde als unfähig dastehen.
    Stellte sich darum die Frage, ob es nicht doch das beste wäre, einfach Fledermäuse zu malen, wo Fledermäuse offensichtlich hingehörten. Umso mehr, als erstaunlicherweise keine einzige fotografische Abbildung von diesem Gemälde existierte, auch kein Entwurf oder dergleichen. Natürlich gab es jede Menge Fotos, welche die Architektur des Cafés und des Bahnhofs dokumentierten, aber auf allen verblieb dieses eine Wandbild im Off des jeweiligen Blickwinkels oder war eingeschattet oder schlichtweg viel zu tief im Hintergrund, als daß man wirklich etwas hätte erkennen können.
    Er, der Restaurator, war ein guter Maler. Technisch gesehen. Eigentlich malte er besser, als er restaurierte. Es würde ihm wenig Probleme bereiten, die drei Fledermäuse – denn drei schienen es ja zu sein – im Stil der übrigen sieben, Proportion und Perspektive beachtend, auf die verschmutzten Stellen aufzumalen. Wieviel leichter war das, als sich vor die Auftraggeber hinzustellen und das eigene Versagen kundzutun.
    Ja, genau so wollte er vorgehen: den Restaurator ausschalten und dafür den Maler einschalten.
    Aber erst einmal ein Glas Bier.
    Er mochte diese Pubs, der Dunkelheit wegen und weil die servierten Biere aus dieser Dunkelheit so schön herausleuchteten. Im Grunde waren Pubs natürlich Kabinette der Geschmacklosigkeit. Aber er hatte lange in England und auch ein paar Jahre in Belfast gelebt und dabei die liebenswürdige Seite der Geschmacklosigkeit schätzen gelernt. Diesen Hang der Angelsachsen, alles Gemütliche ohne Rücksicht auf ästhetische Verluste durchzusetzen.
    In einem Pub konnte man sitzen und alt werden. Ohne das Alter zu beklagen. Nicht, daß er alt war. Achtundzwanzig. Kein Grund, ans Sterben zu denken. Auch wenn er sich als Künstler bereits gescheitert sah und wußte, daß jämmerliche Jahre bedeutungsloser Restaurationsarbeit auf ihn warteten. Er fühlte sich ausgebrannt, nach achtundzwanzig Jahren am Ende. Dazu verdammt, sich mit drittklassigen Gemälden und erstklassigen Verschmutzungen herumzuschlagen.
    War das nicht …?
    Er hatte den Mann in einem der vielen Spiegel bemerkt, die hier hingen, als wären die Gäste in erster Linie um die eigene Frisur besorgt. Ausgerechnet!
    Sogleich hatte er das Gesicht wieder aus dem Blick verloren, rückte vorsichtig hin und her, entdeckte es erneut. Ein Offiziersgesicht, auch wegen des bleistiftdünnen Schnurrbarts. Wie nannte man das? Camouflage? Nein, Blödsinn, Moustache. Bärte, die noch dünner waren als die Lippen, die sie parodierten.
    Keine Frage, es war der Croupier, der sehr aufrecht in einer Ecke saß. Im Sitzen noch einen stehenden, einen kerzengeraden Eindruck machte. In der Rechten hielt er eine Zigarette zwischen zwei gestreckten Fingern. Sein Gesicht besaß die gleiche blasierte Note wie immer. Er war nicht Stammgast hier. Andernfalls hätte ihn der Restaurator schon früher einmal bemerken müssen.
    Nun gut, auch Croupiers tranken hin und wieder ein Bier. Und auch hin und wieder in Kneipen, die nicht ihre Stammkneipen waren. Schon gar nicht bestand ein Grund, sich hinüberzusetzen oder auch nur ein weiteres Mal in den Spiegel zu schauen. Männer tranken und wurden älter. Das schafften sie auch ganz gut alleine.
    Der Restaurator widmete sich wieder dem eigenen Getränk und warf ab und zu einen Blick in die Zeitung, die offen auf der Theke lag. Nicht, daß er sie auch anfaßte, er studierte bloß die aufgeschlagene Seite. Umzublättern wäre zuviel des Guten gewesen. Umzublättern hätte diese Zeitung nicht verdient. Das verdiente keine Zeitung.
    Er trank aus, zahlte und ging. Ohne sich nochmals nach dem Moustachecroupier umzudrehen. Wieso auch?
    Danach trieb er sich ein wenig in der Stadt herum, kaufte einen gestreiften Schal in Orange und Braun, ein Buch, welches haargenau in seine Manteltasche paßte, und besuchte eine Galerie. Die Ausstellung deprimierte ihn. Die Bilder, die er sah, waren viel zu teuer, als daß er sich daran hätte erfreuen können. Teure Bilder erinnerten einen erfolglosen Maler daran, wer er war.
    Einigermaßen frustriert, begab er sich zur Trainingshalle eines Boxclubs, der wegen irgendeiner Ungereimtheit Frau Hitt genannt wurde. Angeblich war das der Name eines Tiroler Berges. Aber Tirol war ein fernes, beinahe exotisch zu nennendes Land, weshalb das Gerücht entstanden war, es handle sich viel eher um den

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