Lilly Höschen (01): Walpurgismord
zum Schlafen. Wenn ich ihn mal erwische und irgendwas frage, zum Beispiel, was er so vorhat, dann antwortet er immer, dass er den ganzen Tag duch die Wälder streift. Er ist so ein richtiger Naturmensch.«
»Aber Sie sehen ihn doch morgens bestimmt beim Frühstück?«
»Nein, das macht jeder Gast selbst. Damit will ich nichts zu tun haben. Ich stelle nur die Ferienwohnungen zur Verfügung, putze nach der Abreise, und das ist alles. In jeder Wohnung ist ja auch eine kleine Küche.«
»Herr Schütz, haben Sie irgendeinen Gegenstand, den Herr Struwe vielleicht mal vergessen hat?«
»Ach du lieber Gott. Puhhh.«
»Oder haben Sie die Flasche Schnaps noch, die er Ihnen mitgebracht hat?«
»Nein, die ist schon längst leer und entsorgt.«
»Können Sie uns die Ferienwohnung zeigen, die Herr Struwe zuletzt bewohnt hat?«
»Na klar. Die ist im Moment sowieso leer. Kommen Sie mit.«
Der Mann führte die beiden durch den schön angelegten Garten, an dessen Ende drei Reihenbungalows standen. Er schloss den linken Bungalow auf und führte sie in die nette kleine Wohnung, bestehend aus Wohn-/Schlafzimmer mit großem Bett und Schreibtisch, einer abgeteilten Küchenecke und Bad. Das machte alles einen sehr guten und sauberen Eindruck. Wahrscheinich hatte Herr Schütz geputzt wie ein Weltmeister, so dass man bestimmt keine Spuren mehr finden würde.
»Wann war diese Wohnung zum letzten Mal belegt?«
»Am 22. August, als Herr Struwe abgereist ist. Seitdem war kein Gast mehr hier drin.«
Schneider und Gisela sahen sich hoffnungsfroh an.
»Darf ich mal in die Schränke und Schubladen schauen?«
»Kein Problem, es ist alles sauber.«
»Ehrlich gesagt«, meinte Schneider schmunzelnd, »wäre es mir lieber, Sie wären nicht so ordentlich und sauber. Das würde unsere Arbeit erleichtern.«
»Ja, Sie sind gut, Kommissar. Ich bin doch kein Schmandbäst und lass die Gäste in dreckige Zimmer ziehen.«
Gisela zog die Schublade des kleinen Sekretärs auf und sah einen Kugelschreiber, und zwar nicht gerade einen von der billigen Sorte.
»Herr Schütz«, sagte sie, »gehört dieser Kugelschreber zum Inventar?«
»Oh. Nein, so teure Kugelschreiber habe ich nicht. Den könnte Herr Struwe vergessen haben.«
»Das ist prima. Den müssen wir mitnehmen.«
»Ich will ja nicht neugierig sein«, sagte nun Herr Schütz, »aber was, um Himmels Willen, ist eigentlich los mit Herrn Struwe?«
»Herr Schütz«, antwortete Schneider, »wir können es Ihnen im Moment noch nicht sagen. Nur soviel: es ist wirklich unheimlich wichtig, dass wir ihn finden. Sollte er sich bei Ihnen melden, zum Beispiel weil er die Ferienwohnung wieder mieten will, dann verhalten Sie sich bitte ganz normal. Sagen Sie ihm auf jeden Fall zu, dass die Wohnung frei ist, selbst wenn sie nicht frei sein sollte. Und dann rufen Sie uns sofort an. Können wir uns darauf verlassen?«
»Ja, aber ehrlich gesagt, Sie machen mir regelrecht Angst. Er muss doch etwas ausgefressen haben, dass Sie ihn so händeringend suchen.«
»Das wollen wir ja gerade herausfinden. Noch etwas, Herr Schütz. Ich muss Ihnen morgen früh ein paar Kollegen schicken, die die Ferienwohnung nach Spuren untersuchen. Ich hoffe, dass Sie nicht so gründlich geputzt haben, dass wir vielleicht doch noch Hinweise finden.«
»Na, da werden Sie wohl kein Glück haben. Bei mir finden Sie kein Haar.«
Goslar, 15. September 2010
Schneider hatte sein Team morgens zusammengetrommelt. Man saß im Konferenzzimmer. Gisela referierte:
»Also, Kollegen. Unsere Zeitungsaktion hat gestern Abend doch noch Früchte getragen. Ein Vermieter von Ferienwohnungen in Hahnenklee hat ihn zweifelsfrei identifiziert. Der Mensch nennt sich Anton Struwe und hat eine Adresse in Bremerhaven angegeben, die es gar nicht gibt. Der Typ war im letzten Jahr zweimal und in diesem Jahr dreimal in Hahnenklee. Der erste Aufenthalt in diesem Jahr war vom 1. bis zum 13. Juli. Frau Gutbrodt wurde am 12. Juli ermordet. Der zweite Aufenthalt war vom 29. Juli bis zum 22. August. Am 26. Juli wurde der Pater in Bayern umgebracht, ihr wisst schon, der Typ mit dem Rohrstock im Ar..., äh, im Hintern.«
Schneider schaute betont finster zu Gisela auf, während einige Kollegen kicherten. Aber sie fuhr unbeirrt fort:
»Am 29. Juli traf Herr Struwe in Hahnenklee ein und brachte seinem Vermieter eine Flasche Schnaps aus Bayern mit, von wo er gerade kam.«
»Ist dieser Schnaps aus einer bestimmten Region? Ich meine, wo wird er hergestellt?«, wollte
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