Lilly Höschen (01): Walpurgismord
Gartenzaun in die Hocke, während Hans und Manfred hin und her sprangen, um dem Beschuss auszuweichen. Lilly und Marie standen am Küchenfenster und bekamen vor Staunen den Mund nicht mehr zu. Als alles vorbei war, eilten sie zur Haustür und stellten fest, das der Weidenkorb vor sich hin glimmte. Gerade wollte Lilly etwas sagen, da explodierte mit einem gewaltigen Donner der letzte Kanonenschlag und alle gingen wieder in Deckung.
»Na, das ist ja mal ein toller Empfang«, sagte Hans.
»Ich verstehe gar nicht, wie das passieren konnte. Mein schönes Feuerwerk. Man stelle sich vor, das wäre in der Wohnung passiert«, sagte Lilly ganz verwundert.
Auf jeden Fall war die Stimmung angesichts dieses munteren Empfangs von Anfang an ziemlich ausgelassen. Man saß in großer Runde in Lillys Wohnzimmer. Jeder hatte reichlich gegessen, und nun wurden Anekdoten erzählt.
Die Gesellschaft krümmte sich vor Lachen, nachdem Amadeus einige Begebenheiten aus Lillys Leben erzählt hatte. Lilly selbst konnte sich allerdings nur ein kleines Lächeln abringen und meinte dann mit einem sarkastischen Unterton:
»Nun, es gibt aber auch noch andere, die mit ihrem Verhalten gelegentlich für Erheiterung sorgen. Wie war das gleich noch mal, als du nackt vom Dach gefallen bist, Amadeus?«
»Ich flehe dich an, Tante Lilly, bitte nicht diese alte Geschichte!« protestierte dieser.
»Das hättest du dir überlegen müssen, bevor du meine Schandtaten preisgegeben hast, mein Junge. Jetzt bist du dran, da hilft kein Flehen und kein Winseln. Also«, begann Lilly und zündete sich genüsslich einen Zigarillo an. »Ich war verrückt genug, meinen Großneffen vor ein paar Jahren mit nach Italien zu nehmen. Etwas Kultur, so dachte ich, kann ihm sicherlich nicht schaden. Wir nahmen uns ein kleines Hotel in einem Ort unmittelbar vor Venedig. Amadeus ging auf sein Zimmer, während ich mich im Ort umsah. Als ich genug hatte, kehrte ich zum Hotel zurück und wollte mich draußen ins Restaurant setzen, um etwas zu trinken. Da kein Tisch mehr frei war, fragte ich ein Ehepaar mittleren Alters, ob ich mich zu ihnen setzen dürfe. Natürlich durfte ich. Der Mann schaute die ganze Zeit so verdattert und unterhielt sich mit seiner Frau über ein merkwürdiges Vorkommnis mit einem Nackten. Da ich interessiert schaute, erzählte er mir schließlich, was vorgefallen war. Als er und seine Frau Wein tranken, fiel ein nackter Mann vom Dach und landete geradewegs auf dem Schoß dieses Zeitgenossen. Auf meine Frage hin erklärte er, dass es sich um einen jüngeren Mann handelte. Dieser griff dann den Weinkühler vom Tisch, um damit gewisse Teile zu bedecken und verschwand im Hotel. Als der Kellner kam und fragte, wo der Weinkühler geblieben sei, antwortete der Mann, dass ihm gerade ein Nackter vom Dach aus mit dem Hintern ins Gesicht gesprungen sei. Das Dach war nur so eine Art niedriger Überbau. Darunter befand sich das Restaurant. Der Kellner fasste sich an den Kopf und redete etwas von Idiota . Die Geschichte war so unglaubwürdig, dass ich dem Mann zu verstehen gab, dass ich seine Schilderung auch für idiotisch hielt. Ich war sogar etwas ungehalten, dass er mir solch einen Blödsinn erzählte und wartete nur noch auf den Kellner, damit ich bezahlen und gehen konnte. Als er endlich kam, passierte es noch einmal: ein nackter Mann fiel geradewegs vom Dach und landete zwischen den Stühlen an unserem Tisch. Und was soll ich euch sagen, wer dieser Mann war?«
Nun brüllten alle lachend im Chor: »Amadeus!«
»Das muss ich aber schon erklären«, sagte nun Amadeus, der beschwichtigend gestikulierte.
»Ich hatte gerade geduscht und mir ein Handtuch umgebunden, ging auf den Balkon und zündete mir eine Zigarette an. Dann fiel mein wunderschönes goldenes Feuerzeug auf dieses blöde Dach direkt vor dem Balkon. Es kullerte ein paar Meter und blieb etwa in der Mitte liegen. Also stieg ich auf das Dach, rutschte und verlor das Gleichgewicht. Und ehe ich mich versah, rollte ich weiter, und das Handtuch rollte sich ab. Und schwupps, saß ich auf dem Schoß dieses Mannes, der mich anstarrte als sei ich der Mann vom Mond. Ich griff mir den Weinkühler, kippte das Eiswasser aus und bedeckte damit meine Familienjuwelen und rannte durch das Foyer zu meinem Zimmer, das ich, Gott sei Dank, nicht abgeschlossen hatte.«
Marie lachte, dass ihr der Bauch wehtat. Auch die anderen konnten kaum an sich halten, und Amadeus erzählte weiter:
»Damit war aber mein Problem keineswegs
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