Lilly Höschen (01): Walpurgismord
beschäftigt. Das war ein Silvester nach ihrem Geschmack. Sie hatte gern Leute um sich, vor allem auch jüngere.
»So, Marie, mit dem Backen sind wir gleich fertig. Dann können wir noch das Wohnzimmer schmücken. Ich habe Luftschlangen, Luftballons und einiges mehr. Wenn der Besuch kommt, soll alles fertig sein.«
»Mein Gott, Lilly, was du alles auf die Beine stellst! Ist dir das auch wirklich nicht zu viel?«
»Ach Mädchen, ausruhen kann ich mich noch so lange, wenn ich tot bin. Aber bis dahin will ich noch ein bisschen Spaß haben. Vor allem sollten wir uns durch all den Mist, der in diesem Jahr über uns hereingebrochen ist, das Leben nicht verdrießen lassen. Jetzt erst recht!«
»Das ist die richige Einstellung, Lilly. Mit deiner Hilfe habe ich die Entführung mittlerweile auch einigermaßen überstanden. Ganz überstehen kann man das aber wohl nur, wenn der Saukerl endlich hinter Schloss und Riegel sitzt.«
»Ja, es ist schon merkwürdig, dass solch ein fähiger Polizist wie Kommissar Schneider immer noch keinen Erfolg zu verzeichnen hat.«
Schließlich ging Lilly in den Keller und kam mit einem großen Weidenkorb zurück, den sie vor der überdachten Haustür abstellte. Er enthielt allerlei Knallkörper und Feuerwerk. Zum Teil unverbrauchte Ware aus dem letzten Jahr, zum Teil neu gekaufte. Sie liebte Feuerwerk und Knaller und es war ihr egal, wenn es Leute gab, die sich aufregten, was für ein Geld sie dafür ausgab. Viele Leute im Ort richteten ihren Blick um Mitternacht gen Schulberg, weil sie genau wussten, wer dort die schönsten Raketen startete und den meisten Krach veranstaltete.
Goslar, 31. Dezember 2010
Zur gleichen Zeit saß Kommissar Schneider mit Gisela Berger in seinem Büro. Es gab keine akuten Dinge, derer man sich annehmen musste. Schneider blätterte in den Akten unerledigter Fälle und Gisela brütete vor sich hin.
»Gisela, wenn der Staatsanwalt Ihr Gesicht sehen könnte, würde er wahrscheinlich Anklage wegen Körperverletzung erheben.«
»Ach, Scheiße. Dass wir diesen irren Georg Besserdich oder Struwe oder wie immer er sich jetzt nennen mag, nicht gefasst haben, das wurmt mich dermaßen. Jetzt müssen wir diesen Dreck tatsächlich noch ins neue Jahr mitschleppen.«
Am späten Nachmittag sagte Schneider schließlich:
»So, Gisela, ich denke, das war´s für dieses Jahr. Machen Sie sich jetzt gefälligst nach Hause. Feiern Sie, gehen Sie aus, lassen Sie´s krachen oder was man sonst so in Ihrem Alter tut.«
Gisela sah ihren Chef missmutig an. Dann klingelte das Telefon.
»Schneider........Guten Tag, Herr Schütz........Das ist ja interessant. Und was haben Sie gesagt?...........Prima. Herr Schütz, wir sind in einer halben Stunde bei Ihnen.«
Gisela sah ihren Chef erwartungsvoll an.
»Gisela, ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil. Gehen Sie nicht nach Hause, feiern Sie nicht. Ziehen Sie Ihren Mantel an und kommen Sie mit. Herr Struwe alias Besserdich hat gerade in Hahnenklee angerufen und eine Unterkunft für heute bestellt. Und obwohl Herr Schütz gar nichts mehr frei hatte, hat er zugesagt. Ich verständige schnell ein paar Kollegen. Wer weiss, vielleicht können wir diesen Fall ja doch noch im alten Jahr erledigen.«
Freudig erregt haute Gisela auf den Tisch und sprang auf.
Lautenthal, 31. Dezember 2010
Gegen fünf Uhr erwartete Lilly ihre Gäste. Kurz zuvor hatten sich ein paar Jungen einen Spaß gemacht und einen Knallkörper vor Lillys Garten gezündet und diesen vor ihre Haustür geworfen. Da sie nicht sehen konnten, was sich in dem vor der Tür stehenden Weidenkob befand, zielten sie auf diesen und trafen auch prompt hinein. Allerdings zündete der Knallkörper nicht. Dann trafen Amadeus, Hans und Klaus ein. Sie waren zusammen in Hans´ Auto gekommen, das sie an der Straße abstellten. Im selben Moment kam auch Manfred Wiebe an. Als die vier Männer etwa zwei Meter vor der Haustür waren, ging das Spektakel los. Der verreckte Knallkörper war zwar nicht explodiert, hatte aber wohl die ganze Zeit über geglimmt und dann einen bengalischen Goldregen gezündet, der wiederum etliche Knallfrösche zum Hüpfen brachte. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Raketen losgingen, die meisten allerdings nicht in die Höhe, sondern zur Seite. Es knallte, krachte und leuchtete in einer Intensität, dass die vier Männer es mit der Angst bekamen und zurückrannten. Klaus warf sich in einen Schneehaufen, Amadeus ging hinter dem mit Schnee überhäuften
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