Lilly Höschen (01): Walpurgismord
diesem Niveau brauchen wir uns gar nicht zu unterhalten. Die Leistungen der Gruppe um Kommissar Schneider können sich wirklich sehen lassen. Und auch speziell die Leistungen von Frau Berger sind respektabel. Dass im Fall Besserdich noch keine Ergebnisse vorliegen, ist bedauerlich, aber so etwas kommt immer mal vor. Statt die Mitarbeiter mit verbalen Attacken unter Druck zu setzen, sollte man sie lieber bestärken und ihnen Mut machen.«
»Wenn man eine faule Kartoffel hat, muss man sie entfernen, sonst stinkt der ganze Haufen innerhalb kürzester Zeit. Und genau das ist hier der Fall«, antwortete Huber und haute zur Bekräftigung mit der flachen Hand auf den Tisch.
»Herr Huber, der Fisch stinkt vom Kopf. Wenn hier also etwas faul ist, dann haben Sie und ich Grund, selbstkritisch zu hinterfragen, was wir falsch machen. Ich möchte Sie eindringlich bitten, künftig keine verbalen Attacken, keine Drohungen oder sonstige unbeherrschten Bemerkungen auf meine Mitarbeiter abzuschießen. Mit einem höflichen, respektvollen Umgang erreichen Sie mit Sicherheit mehr.«
»Wollen Sie mir sagen, wie ich meine Arbeit zu machen habe? Und wollen Sie etwa sagen, dass mich diese dumme Pute ungestraft ein Arschloch nennen darf?«
Jetzt sprang Polizeidirektor Weber, der von Natur aus die Ruhe selbst war, auf und brüllte den Staatsanwalt an:
»Nennen Sie Frau Berger noch einmal eine Pute, und ich schreibe eine Dienstaufsichtsbeschwerde über Sie, die sich gewaschen hat. Entweder Sie lernen endlich, sich zu benehmen oder es gibt Krieg. Und ich prophezeie Ihnen, wenn Sie sich mit mir anlegen, dann sorge ich dafür, dass Sie auf keinen grünen Zweig mehr kommen!«
Der Polizeidirektor setzte sich wieder. Noch nie in all den Dienstjahren war er derart aus der Haut gefahren. Staatsanwalt Huber hätte sich im Traum nicht vorstellen können, dass Harald Weber zu solch einem Ausbruch im Stande war. Und er wusste, dass sein Chef große Stücke auf diesen Mann hielt und wohl auch privat mit ihm zu tun hatte. Ganz kleinlaut gab er zur Antwort:
»Ich habe es nicht so gemeint. Im Alltagsstress rutschen einem manchmal Dinge raus...«
»Herr Huber, es ist mir über all die Jahre gelungen, meine Mitarbeiter in einem kollegialen Miteinander zu guten Leistungen zu motivieren. Und das lasse ich mir nicht kaputtmachen. Lassen Sie uns einen Schlussstrich ziehen und noch mal von vorn anfangen. Wenn die Mitarbeiter gleich kommen, möchte ich ihnen sagen, dass wir unser Verhältnis neu geordnet haben und in Zukunft auf einer Basis miteinander umgehen, die von Höflichkeit und Freundlichkeit geprägt ist. Kann ich das auch in Ihrem Namen sagen?«
Die letzten Sätze hatte Harald Weber wieder in seiner verbindlichen Art von sich gegeben. Huber war noch halb am Kochen, jedoch durch den Ausbruch des Polizeidirektors stark in seinem Selbstbewusstsein erschüttert. Mit gebrochener Stimme sagte er:
»Schwamm drüber. Lassen Sie uns neu anfangen.«
Das interne Telefon klingelte, Weber ging zu seinem Schreibtisch, nahm ab und sagte: »Prima. Wir sind gerade fertig geworden. Schicken Sie die Kollegen rein.«
Gerald Schneider und seine fünf Mitarbeiter betraten das Zimmer. Und der Polizeichef ging direkt auf Schneider zu, schüttelte ihm die Hand und sagte freudestrahlend:
»Gott sei Dank, dass Sie wieder da sind. Ich hoffe, Sie haben alles gut überstanden.«
Die anderen grüßten leise und nahmen Platz, bestrebt, möglichst weit entfernt vom Staatsanwalt zu sitzen, bis nur noch ein Stuhl neben diesem frei war. Ausgerechnet Gisela kam zuletzt herein und setzte sich stumm neben ihn.
Polizeidirektor Weber eröffnete die Besprechung:
»Meine Herrschaften, da unser Herr Schneider wieder genesen ist, sollten wir heute eine Zwischenbilanz in Sachen Besserdich machen. Alle anderen Fälle sind ja gut im Fluss. Deshalb denke ich, dass wir uns mit voller Kraft auf diese Sache konzentrieren. Wir müssen hier einfach weiterkommen. Gestatten Sie, dass ich Sie vorher kurz darüber informiere, was ich gerade mit Herrn Staatsanwalt Huber besprochen habe. Es ist in letzter Zeit zu gewissen Aufreibungen menschlicher und verbaler Art gekommen. Wir können das sicherlich zum großen Teil der intensiven und unbefriedigenden Arbeit am Fall Besserdich zuschreiben. So etwas kommt mal vor. Wir sind alle nur Menschen. Aber das darf natürlich kein Dauerzustand sein. Wir haben heute miteinander vereinbart, dass wir uns ab sofort alle mehr Mühe geben und einen freundlichen
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