Lilly Höschen (01): Walpurgismord
Umgangston pflegen. Die Querelen der letzten Zeit sollten wir einfach abhaken. Wie haben Sie so schön gesagt, Herr Huber? Schwamm drüber. Es würde unsere Arbeit und auch unser Wohlbefinden stören, wenn wir alles, was in letzter Zeit gesagt worden ist, auseinanderdröseln. Kann ich davon ausgehen, dass alle damit einverstanden sind?«
Gisela machte eine Handbewegung. Der Polizeidirektor bekam einen kleinen Schreck und nickte ihr zu.
»Einverstanden«, sagte Gisela. »Und in diesem Zusammenhang nehme ich auch das Arschloch zurück.«
Alle lächelten oder lachten leise. Harald Weber fiel ein Stein vom Herzen und fuhr fort:
»So, und nun bitte an die Arbeit. Vielleicht informieren Sie, Frau Berger, uns über den Stand der Dinge.«
Gisela zog ein Blatt mit Stichwörtern aus ihrer Mappe und fing an:
»Also, ich habe heute morgen noch mal mit den Kollegen in Bayern telefoniert. Auch dort ist man keinen Schritt weiter. Wahrscheinlich hat er seinen Job in Bayern erledigt und konzentriert sich jetzt ganz auf den Harz. Seine Silvester-Aktion beweist ja, dass er mit uns noch nicht fertig ist. Und wenn wir uns das Täterprofil des Psychologen ansehen, dann werden wir auch noch einiges zu erwarten haben. Nachdem wir alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben, ihn zu kriegen, können wir im Grunde nur darauf hoffen, dass er sich wieder bemerkbar macht und irgendwann dabei einen Fehler begeht. Wir suchen einen Mann, dessen derzeitigen Namen wir nicht kennen. Alles was wir haben, ist ein Phantombild, das aus der Erinnerung einer Zeugin entstanden ist. Wir haben aufgrund der Autonummer in Bremen und Bremerhaven geforscht, sämtliche Autoverleiher kontaktiert. Die Kollegen dort haben alles getan, was möglich ist. Ergebnis: null. Wir haben die DNA von Georg Besserdich an dem ermordeten Lehrer in Bayern; wir haben die DNA an dem Ball, den er Fräulein Höschen geschickt hat. Wir haben diese DNA nicht an der Leiche von Frau Gutbrodt und auch nicht an der entführten Marie. Das heißt, wir können nicht sicher sein, dass er für den Tod von Frau Gutbrodt verantwortlich ist und an der Entführung. Und deshalb frage ich mich, ob wir hier wirklich gut beraten sind, gar nicht weiter in andere Richtungen zu forschen. Im Zusammenhang mit Frau Gutbrodt geht mir einfach dieser komische Herr Schmecke nicht aus dem Kopf. Das ist so ein windiger Kerl.«
»Aber das hat doch bisher alles nichts gebracht«, sagte Staatsanwalt Huber. »Wir konnten ihm nichts nachweisen.«
»Das ist richtig. Aber vielleicht sollten wir trotzdem dranbleiben. Inzwischen dürfte er sich ja in Sicherheit wiegen. Ich schlage daher vor, dass zumindest ein Kollege sich weiterhin intensiv mit Schmecke befasst.«
Die Besprechung verlief ungewohnt harmonisch. Matthias Huber war die Freundlichkeit in Person. Das änderte allerdings nichts an der Frustration, die sich aufgrund der mangelnden Ergebnisse unweigerlich einstellte. Kommissar Schneider beauftragte den Kollegen Knott, weiterhin an Maximilian Schmecke dranzubleiben. Und Gisela sollte sich hauptamtlich mit Georg Besserdich beschäftigen. Sie würde noch einmal mit allen Beteiligten sprechen, die Besserdich kannten beziehungsweise früher gekannt hatten. Irgendwo musste es einfach einen Anknüpfungspunkt geben. Es gab immer etwas, wo man ansetzen konnte. Nur in diesem Fall hatte man diesen Punkt einfach noch nicht gefunden.
Clausthal-Zellerfeld, 29. April 2011
Maximilian Schmecke saß über seinem Laptop im Arbeitszimmer, dass er sich im Haus seiner Mutter eingerichtet hatte. Er raufte sich die Haare und stöhnte gelegentlich laut auf. Er war mit seinem Latein am Ende. Seine Mutter hatte zum ersten Mal kategorisch abgelehnt, ihm Geld zu geben. Angeblich hatte sie absolut nichts mehr zur Verfügung. Das Haus wollte sie auf keinen Fall verkaufen. Und selbst wenn er seinen Wagen verscherbeln würde, könnte ihn das auch nicht retten. Er brauchte Geld, und zwar eine ganze Menge. Diese ganzen Internetgeschäfte hatten ihn in eine Misere gerissen, aus der er keinen Ausweg sah. Hinzu kamen die Schulden, die er bei dubiosen Geldverleihern gemacht hatte. Und die verstanden keinen Spaß. Wenn er in den nächsten Tagen kein Bares zur Verfügung hatte, würde es ernst werden. Wo kriege ich auf die Schnelle fünfzigtausend Euro her?
»Hös-chen! Du bist mein letzter Ausweg«, sagte er laut zu sich selbst.
Die alte Scharteke hinterzieht Hunderttausende vor der Steuer und tut so, als ob sie die seriöseste Person wäre,
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