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Lillys Weg

Lillys Weg

Titel: Lillys Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate E. Daimler
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Fragen auf, als sie mir Antworten gibt.
    Ich rufe Rita an: „Ich möchte wiederkommen.“ Sie lacht am Telefon dieses erfrischende Lachen, das mich an ihre Antwort erinnert, als ich sie gestern bewunderte, weil sie so jung aussieht.
    â€žDas Alter ist nicht wichtig. Wir legen viel zu viel Wert darauf, uns an diesen Zahlen zu orientieren. Sie halten uns in einer Realität fest, die ohne Bedeutung ist. Wichtig ist, dass du deinen Geist lebendig hältst. Dann wird dein Körper ihm folgen. Und selbst wenn er es nicht tut, sind wir immer beweglich. Die Menschen wissen nicht, was sie sich für Beschränkungen auferlegen, wenn sie ständig über das Alter jammern.“
    Das Meer ist heute zum ersten Mal ruhig. Die Luft ist warm, wie bei uns im Hochsommer. Ich denke zu viel. Ich sollte es wie die Katzen und Hunde machen, die sich immer wieder auf den Liegebetten am Strand niederlassen und sich nicht davon abschrecken lassen, dass sie vom Personal wieder verjagt werden. Sie kennen diese Ansprüche nicht, die wir Menschen an uns selber und an andere haben. Von ihnen kann ich lernen, was Sein bedeutet.
    Ich döse vor mich hin, und wenn unter der Entspannung die Sehnsucht nach Oskar und den Kindern auftaucht, dann nehme ich schnell meinen Kriminalroman und scheuche sie weg. Ich habe genug von meinen eigenen Problemen. Ich kann sie nicht mehr hören und will sie schon gar nicht mehr fühlen.
    Ich bin inzwischen einverstanden, hier zu sein, und habe mich an mich gewöhnt. An das Mit-mir-Sein, mit allen seinen Auf und Abs. Es glückt mir noch nicht, mich selber ganz in Ruhe zu lassen. Aber ich bin auf dem besten Weg dazu. Und einer davon ist, meine Grübeleien einzustellen.
    Es ist Abend geworden, ein Sonntagabend, der mir nach meinem Tag am Strand plötzlich sinnlos vorkommt. Was tue ich hier, in diesem Land, nachdem mein Inneres schon begonnen hat, neue Spuren zu legen? Meine Erschöpfung hat mit dem Widerstand gegen die Umstände meines Lebens zu tun. Ich leiste keinen Widerstand mehr. Der Fluss fließt in die richtige Richtung. Ich trete auf meinen Balkon, das Meer liegt wie eine Postkartenlandschaft vor mir. Ich nehme sie mit meinen Augen auf, und gleichzeitig sagt mir mein Herz, dass es Zeit wird, diese Postkartenlandschaft zu verlassen. Ich spüre, dass ich nach Hause fahren werde. Meine Zeit ist um, auch wenn mein Flugticket etwas anderes sagt. „So ein Blödsinn!“ Ich sage es laut und ziehe mich für den Abend um.
    Dahab im Februar bedeutet kühle Nächte. Eine warme Hose und besser auch noch ein Mantel. Ich schließe die Tür und ver­lasse mein Zimmer, dessen Eingang auf der Rückseite des Hotels liegt. Es befindet sich im ersten Stock und ist, wie bei vielen Häusern hier, über eine Außentreppe erreichbar. Vor mir liegen still die roten Berge des Sinai, magische Zeugen einer Natur, die uns mit ihrem schützenden Mantel umhüllt. Unter mir die staubige Straße, in der Tjalle wohnt. Heute hat die Tochter ihre Enkel abgeholt, wir sind um sechs Uhr abends verabredet. Ich registriere am Rand meines Gesichtsfeldes, dass kleine Haufen von Bauschutt am Straßenrand liegen, aufgereiht wie Perlen an einem Hals, der sich nicht so viele Gedanken darüber macht, ob er sauber ist. Macht Tjalle sich Gedanken?
    Sie ist in einem Land aufgewachsen, in dem selbst die Kühe immer frisch geschrubbt aussehen. Ich verlasse mein Hotel, gehe den Weg entlang, es gibt keine Hausnummern, aber ihr weißer Jeep steht vor der Tür und ich erkenne die Säulen wieder. Sie öffnet mir auf mein Klopfen und ich betrete wieder die Räume, die ihre Handschrift tragen. Wir trinken Wein, und ich sehe Details, die mir das letzte Mal nicht aufgefallen sind. Ja, es gibt niedrige Beduinensofas, aber sie sind mit Seide überzogen und in Farben gehalten, die es hier in der Natur gibt. Warme Wüsten­töne, von creme- bis sandfarben. Die weißen, schmalen Bücherschränke haben Türen, die den Sandstaub abhalten, und sind auf einer Seite des Raums raffiniert verspiegelt. Sie werden von einer dunklen Balkendecke kontrastiert, deren Holz sich in den schmalen Torbögen wiederholt, die von einem Raum zum anderen führen. „Was ist das für ein Einrichtungsstil?“, frage ich sie. Sie sieht mich überrascht an: „Es ist Tjalles Stil, obwohl ich hier nicht ganz zu Hause bin. Ich bin nirgends mehr zu Hause. Auch in Dänemark

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