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Lillys Weg

Lillys Weg

Titel: Lillys Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate E. Daimler
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sich nur oberflächlich erwärmt. Sie stand auf und holte Ella aus ihrer tiefen Versunkenheit.
    â€žWir waren Waldfrauen damals“, sagte ihre Freundin mit ­diesem Blick, den Lilly kannte, wenn sie in anderen Welten wanderte. Sie mochte den Gedanken, dass ihre Freundschaft zu Ella vielleicht schon Jahrhunderte alt war.
    Auf dem Gipfel war es windig. In der Ferne standen als verlässliche Größen die vertrauten Gipfel des Bregenzerwaldes, allen voran die Kanisfluh, diese mächtige Wächterin über Mellau. Die beiden Frauen blieben nicht lange. Sie aßen ihre Brote, tranken Tee aus der Thermosflasche und folgten dann wieder den geheimen Wegen der Waldwesen, die sie ins Tal führten.
    Am Abend gab es glückliche Kinder, die mit ihrer Großmutter die ersten Schneeglöckchen gepflückt hatten, und eine Überraschung für Lilly.
    â€žIch habe ein Geburtstagsgeschenk für dich, das ich dir jetzt schon geben möchte“, sagte ihre Mutter geheimnisvoll, und Lea und Niklas sprangen sofort vom Tisch auf und rannten voraus zur Scheune, die Lilly seit Jahren nicht mehr betreten hatte.
    Früher hatte sie hier mit Ella gespielt, wenn ihre „Waldwohnung“ im Regen zu ungemütlich war. Die beiden Kinder standen vor dem geschlossenen Scheunentor und schienen auf ein Kommando ihrer Großmutter zu warten.
    â€žIch wollte es dir schon lange schenken und jetzt, wo du öfter nach Kiel fährst, ist es höchste Zeit dafür.“
    Ella, die neben den Kindern stand und ebenfalls eingeweiht schien, half ihnen, die schweren Tore zu öffnen, und da stand es. Das weiße Cabrio mit den roten Ledersitzen. Frisch geputzt und wie neu. Ihre Mutter hatte es ein paar Monate nach dem Tod ihres Vaters gekauft. Es war eine Protestaktion, ein Befreiungsschlag, ein Versuch, ihre eigenen Werte zu finden, auch wenn es nur ein Schritt gegen seine Werte gewesen war. Aber das wurde ihr erst später bewusst. Sein Satz „Nur Angeber fahren teure Autos“ hatte dazu geführt, dass er zwar maßgeschneiderte Anzüge und handgemachte Schuhe trug, aber darauf bestanden hatte, ein „bürgerliches“ Auto zu fahren.
    Lilly war sprachlos. Sie hatte das Symbol der Freiheit ihrer Mutter immer geliebt, aber sie hätte nie gewagt, darum zu bitten. Es gehörte laut Ella zu den „sakralen Gegenständen“, und sie machte sich manchmal darüber lustig, dass eine „Bergfrau“ in ihrer Scheune ein „Stadtauto“ aufbewahrte. Tatsächlich war ihre Mutter genau eine Woche lang mit dem Cabrio gefahren. Und zwar in die Toskana. Nach dieser Landschaft hatte sie sich immer gesehnt und sich mit ihrer Reise einen alten Traum erfüllt. Als sie zurück war, hatte sie das Auto abgestellt und nur einen einzigen Satz dazu gesagt: „Das ist nichts für mich, ich will keinen Stofffetzen über meinem Kopf, und der Wind macht mich nervös, wenn ich offen fahre.“
    Der nächste Morgen war wieder wolkenlos. Die Kanisfluh lag im Schatten, als Lilly am frühen Morgen Mellau verließ und noch tiefer in den Bregenzerwald hineinfuhr. Es war ein unsinniger Umweg und gleichzeitig von einer tiefen inneren Stimmigkeit. Der direkte Weg nach Kiel führte über Bregenz nach Memmingen auf die A7, die Deutschland von Süden nach Norden verband. Das war immer die Wahl ihres Vaters gewesen. Er mochte keine Umwege und Lilly erinnerte sich daran, dass er, wenn Mutter über den Hochtannberg durchs Lechtal nach Wien fahren wollte, kein Verständnis für diesen Firlefanz hatte: „Wir fahren direkt von A nach B, das ist sicherer und schneller.“
    Lilly liebte die schmalen Straßen des Hinteren Bregenzerwaldes. Rechts und links stürzten von den Felsen schon die Schmelzwasserbäche ins Tal und vor ihr standen die weißen Bergriesen wie eine Erinnerung an ihre Vergänglichkeit und an ihr kleines Menschsein. Der Schnee trotzte der Sonne noch meterhoch am Straßenrand, und als sie durch Warth kam, standen auf den Terrassen der Hotels schon die Liegestühle bereit, auf denen die Skifahrer am Nachmittag kurzärmelig ihre ersten Drinks bestellen würden. Am Hochtannbergpass dachte sie kurz an ihre letzte Flucht zum Körbersee und seufzte erleichtert. Nie mehr verstecken, nie mehr flüchten. Diese Zeit war endgültig vorbei.
    An das, was vielleicht noch vor ihr lag, dachte Lilly nicht. Sie war eine Meisterin der Verdrängung oder

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