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Lillys Weg

Lillys Weg

Titel: Lillys Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate E. Daimler
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Kleider, weil die Kinder aus den alten herausgewachsen waren, Schwierigkeiten in der Redaktion, weil eine Mitarbeiterin gekündigt hatte, und um eine neue Geschichte, deren Recherche sich kompliziert gestaltete. Gott sei Dank. Auf diese Weise schloss sich der Entscheidungsabgrund wie von selbst und Lilly konnte zur Tagesordnung übergehen.
    Aber nicht lange. Ihr nächster Besuch bei Oskar war für Mitte September geplant.
    Am 14. September, einen Tag vor der Abreise, wurde sie krank. Nicht sehr schwer, aber krank genug, um die Reise nicht antreten zu müssen. Das Fieberthermometer kletterte auf neununddreißig Grad und rechtfertigte es, im Bett zu bleiben.
    Als sie Ralf anrief, um sich zu entschuldigen, sagte er nur mitfühlend: „Ist es so schlimm?“
    Und beide wussten, dass er nicht die Gliederschmerzen und das Fieber meinte. Es war nicht neu für Lilly, dass sich ihr Körper einschaltete, um ihr aus der Patsche zu helfen. Er hatte ihr schon mehrfach geholfen, mit Ausschlägen und Burn-out aus ihrer Überlastung herauszukommen. Aber dass er für sie da war, wenn sie sich drücken wollte, das war neu. Sie rief Hilde in Kiel an, mit der sie verabredet war, und bat sie um Rat.
    â€žFürchte dich nicht“, sagte sie am Telefon mit einer Stimme, die klarmachte, dass ihr Rat aus einer anderen Ebene kam: „Du hast alles getan, was du tun konntest. Deine Aufgabe ist erfüllt. Eure Wege dürfen und müssen sich trennen. Zögere nicht, die Wahrheit zu sagen. Es wird für dich, aber auch für ihn eine Chance sein. Wenn du bleibst, wird das Wasser in deinem Teich trüb, aber auch in seinem. Du hast ihn getragen und es hat dich viel gekostet. Jetzt muss er selber gehen. Diesen Schritt kannst du ihm nicht ersparen.“
    20. September 1997
    Die Möwen schreien und vermissen die Touristen, von denen sie den ganzen Sommer gefüttert wurden. Ich sitze wieder am Strand der Kieler Außenförde und weiß, dass ich auch von hier Abschied nehme. So viele Jahre hat das Meer mich mit seinem Gesang begleitet.
    Ich muss die Bilder aufschreiben, damit sie mich nicht in meinen Träumen besuchen. Sie brauchen einen guten Platz.
    Ich stehe ein letztes Mal vor der Justizvollzugsanstalt. Dieses Haus, das mich vor ein paar Jahren wie eine würdige, alte Dame empfangen hat. Ich habe mich an die weißen Gitterstäbe gewöhnt, sie sind ein Symbol für unsere Gesellschaft. Hier werden Menschen, die vom Weg abgekommen sind, verwahrt. Ich denke an die Mutter des jungen Mannes, die eines Tages vor der Tür stand und weinte: „Er ist ein anständiger Junge, der auf die schiefe Bahn gekommen ist. Aber jetzt werden sie ihn endgültig verderben. Und wenn er wieder frei kommt, weiß er alles. Wie man ein Dieb wird und ein Betrüger.“
    Ich werde hier nie mehr herkommen. Das weiß ich. Nicht, weil ich es nicht will. Ich könnte Oskar auch besuchen, wenn wir geschieden sind. Er wird es nicht wollen. Er ist ein stolzer Mann, der seine Gefühle nicht gern zeigt. Ich würde ihn an etwas erinnern, was für immer verloren ist.
    Ich sitze ein letztes Mal im Besucherzimmer, und während ich warte, lasse ich die letzten Jahre Revue passieren. Die Bilder kommen und gehen, und mir rinnen die Tränen herunter.
    Oskars erstes Weihnachtsfest im Gefängnis. Ich bitte den Richter, dass er mir erlaubt, im Supermarkt gegenüber mit einem Beamten Delikatessen einzukaufen. Oskar will den Jungs in seiner Abteilung zeigen, wie schön dieses Fest sein kann.
    Ich sehe mich, wie ich mit dem vollen Einkaufswagen an der Pforte stehe und mich mit wehem Herzen, weil er ohne mich und die Kinder feiern muss, für seine „Knackis“ freue. Er zeigt mir die Menükarten, die er für sie geschrieben hat, bittet mich um Tischdekoration und erzählt mir, dass er mit seinen Kumpels schon Weihnachtslieder übt. Als ich mit einem kleinen Baum aus Holz mit echten, roten Kerzen komme, fällt er mir mit Tränen in den Augen um den Hals. Ich tue alles, damit dieses Weihnachtsfest für ihn so leicht wie möglich wird.
    Sommer nach zwei oder drei Jahren Haft. Oskar darf wegen guter Führung einen Ausgang machen. Ein Beamter begleitet ihn zum Campingplatz, auf dem wir wohnen. Seine Bewacher tragen Shorts und leichte Hemden und sehen aus wie nette Onkel der Kinder. Wir sitzen alle an unserem Campingtisch, trinken Kaffee und essen den guten Kuchen aus der

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