Lillys Weg
werden?â
Die Geschichte wollte Ralf nicht haben, das war ihm zu banal, das Thema wurde aus seiner Sicht von allen anderen Magazinen bis zum Abwinken abgedeckt. Aber mit Lilly über ihren Ausnahmezustand reden, das wollte er gern. Am besten heute Abend beim Griechen.
Lefti empfing sie wie immer mit einer groÃen Umarmung und einem Ouzo aufs Haus. Das Lokal war so eingerichtet, wie echte griechische Tavernen auszusehen haben. Einfache Holztische, ziemlich unbequeme, blau lackierte Stühle und jede Menge Urlaubssehnsucht erregende Dekoration.
Lilly aà ihr Souvláki ohne Appetit, ihr Körper hatte anderes zu tun. Er war auf Liebesmodus eingestellt, wie Ralf, der gut aufgehoben in seiner stabilen Beziehung mit Chris lebte, leicht lästern konnte.
âDiesmal ist es nicht nur der Sex. Es ist dieses Gefühl, angekommen zu sein, diese Freude, schon Stunden, noch ehe ich ihn sehe. Und wenn ich mich von ihm verabschiede, dann bleibt er in mir da. So, als ob er ein Teil von mir wäre, den ich schon immer vermisst habe.â
âUnd was ist das Problem?â Ralf kannte Lilly gut genug, um zu wissen, dass nicht alles paletti war. Er nahm den letzten Bissen von seinem honigsüÃen Baklava, legte die Gabel zur Seite und lehnte sich entspannt zurück. Er wusste, dass jetzt eine detaillierte Schilderung kommen würde. So war es der Brauch zwischen ihnen. Sie schrieben nicht nur in Bildern, sie erzählten einander auch in detaillierten Bildern alles, was sie gerade berührte oder bedrückte.
âOskar kam erst mehr als eine Woche nach unserer ersten Begegnung zurück. Er stand einfach am Abend vor meiner Wohnungstüre und hielt mir einen riesengroÃen Strauà roter Rosen vors Gesicht. Ich war sprachlos, ich hatte nicht mehr mit ihm gerechnet. Ich bat ihn wortlos herein, suchte, um Zeit zu gewinnen, lange nach einer Vase und bemühte mich, den Gedanken gut zu finden, dass seine Geste mehr als banal war. Ich wünschte mir, er hätte sich etwas Originelleres ausgedacht. Gleichzeitig war ich berührt, weil mir noch nie ein Mann fünfzig rote Rosen geschenkt hatte, nicht einmal zum Geburtstag. Er stand, geduldig an den Türrahmen zum Wohnzimmer gelehnt, und sah mir aufmerksam dabei zu, während ich die Vase an unterschiedliche Plätze stellte und wieder wegnahm, weil mir das Arrangement nicht gefiel. Du kennst ja meinen Wohnungstick. Jedes Stück verändert alles, Harmonie ist wichtig! Letztendlich habe ich die Blumen auf den Boden vor dem Fenster gestellt und stand plötzlich verlegen mit leeren Händen da. Er schien auf diesen Augenblick gewartet zu haben. Er kam auf mich zugeschlendert, hob mich wortlos auf und trug mich durch die offene Tür ins Schlafzimmer. Für einen Augenblick dachte ich, er ist wie Paolo, ich muss mich vor ihm hüten. Aber es war ganz anders. Wir haben uns geliebt, wir haben geredet und uns wieder geliebt und wieder geredet ⦠Ich habe mich verliebt, Ralf!â
âUnd wo ist nun das Problem?â
Ralf rutschte mit seinem griechischen Tavernenstuhl ein Stück zurück, schlug ein Bein über das andere und legte seine rechte Hand aufs Knie. Normalerweise hätte er jetzt etwas Wichtiges von sich gegeben. Aber manchmal machte er seine Lieblingsgeste auch dann, wenn er ungeduldig auf die Essenz einer Geschichte wartete.
âDas Problem ist die Frau, die mich fast jede Nacht anruft.â
Ralf verschluckte sich am Retsina, und Lilly musste warten, bis er sich davon erholt hatte: âDu hast mir doch erzählt, dass er sich gerade von der Zahnarztgattin getrennt hat.â
Lilly seufzte. âJa, das stimmt ja auch. Aber plötzlich rief diese Frau mit Schweizer Dialekt an und brüllte ins Telefon, dass sie seine Verlobte sei und dass ich mich zum Teufel scheren soll. Oskar war gerade die zweite Nacht bei mir, als es das erste Mal passierte. Sie war zufällig geschäftlich einen Tag in Wien, hat uns am Graben gesehen und ist mir bis zu meiner Haustüre gefolgt. Dann war es einfach, meine Telefonnummer herauszufinden.
Oskar hat mir alles erklärt. Natalie war fünf Jahre lang seine Freundin gewesen. Er hatte die Verlobung mit der Schweizer Industriellentochter vor Kurzem gelöst, weil er die Dauerspannung in der Beziehung nicht mehr ertragen konnte. âWir haben einander nicht gutgetanâ, war alles, was er dazu gesagt hat.â Jetzt machte sich Ralf ernsthafte Sorgen um Lilly.
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