Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lillys Weg

Lillys Weg

Titel: Lillys Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate E. Daimler
Vom Netzwerk:
Dieser Oskar war kein Mann für seine Elfe. Er lehnte sich kämpferisch nach vorne: „Und warum, bitte, hat dieser Idiot dir das nicht erzählt? Warum hat er gewartet, bis du dein Gehirn ausgeschaltet und dich in ihn verliebt hast?“
    Lilly hatte, wie alle Liebenden, auch dafür eine Erklärung: „Er wollte es mir nicht sofort sagen, weil er Angst hatte, ich könnte ihn verlassen, bevor es angefangen hat.“
    Der Abend endete mit einem Misston. Es war klar, dass Ralf Oskar nicht mochte, noch ehe er ihn kennengelernt hatte.
    â€žBitte, gib ihm eine Chance, er ist ganz anders, als du denkst.“
    Lilly spürte, dass Ralfs Reserviertheit an ihr nagte, und rief am nächsten Morgen Paolo an. Er nahm sich sofort Zeit und schlug ein spätes Frühstück im Imperial vor. Paolo hatte ein Faible für Luxus, und das Hotel, in dem gekrönte Häupter abstiegen, passte zu ihm. Es war neben der Hofkonditorei Demel einer der Plätze, an denen er regelmäßig Hof hielt.
    Sie war noch zu Hause und zog sich sofort um. Die kleine Bregenzerwälderin, wie Paolo sie immer nannte, wenn er ihre Unsicherheit spürte, brauchte eine gute Schutzhaut, wenn es fein wurde.
    Im alten Bauerntisch in Mellau gab es noch immer die Holzfächer vor jedem Platz, in denen früher die Muslöffel aufbewahrt worden waren. Anderes Besteck hatte es bei ihren Ahnen kaum gegeben. Man legte sich den Brotlaib an die Brust und schnitt dicke Scheiben ab, die Wurst kam auf ein Holzbrett. Das prägt. Und so war die Tischkultur im Bregenzerwald einfach und praktisch geblieben. Bei ihren seltenen Ausflügen in den bürgerlichen Haushalt ihres Vaters hatte ihre Mutter darauf bestanden, in der gemütlichen Wohnküche zu essen. Das feine Speisezimmer war ihr zuwider. Einzig Mémé hatte sich engagiert, ihre Enkelin zu einer feinen Dame zu erziehen, aber sie war zu früh gestorben, um einen nachhaltigen Effekt zu erzielen.
    Paolo saß schon in „seiner“ Loge mit Blick auf die Ringstraße und stand auf, um sie zu umarmen und sich dann mit ihr gemeinsam am Buffet zu bedienen. Lilly fühlte sich noch immer leicht befangen, wenn sie die vielen kleinen Schälchen und Tellerchen füllte. Eines für die Butter, eines für die Marmelade, ein eigenes für den Lachs, das Gebäck nahm man mit der Zange. Als sie zurück zum Tisch ging, bemühte sie sich um einen würdigen Gang. Die Stuckdecke, die holzgetäfelten Wände, die Seidentapeten, der blau gemusterte Brokat auf den bequemen Sitzbänken waren noch immer nicht ihre Welt.
    Sie hatten sich kaum gesetzt, als Lilly, noch ehe der elegante Kellner den Kaffee serviert hatte, mit der Tür ins Haus fiel: „Ich habe mich in Oskar verliebt.“
    Paolo lächelte freundlich und nahm einen Bissen von seinem weich gekochten Ei, ehe er antwortete: „Ich habe mich schon gefragt, wie lange ich darauf warten muss, bis mir das einer von euch beiden erzählt! Mir war das in der ersten Sekunde klar, als ihr einander im Belvedere angesehen habt.“
    â€žUnd was ist er für einer?“, fragte Lilly und kam sich wie eine Verräterin vor.
    â€žEr braucht eine Frau wie dich“, sagte Paolo und lehnte sich zufrieden zurück. „Ich warte schon lange darauf, dass er sesshaft wird. Du wirst dich auf ihn verlassen können, er ist seit vielen Jahren mein Mitarbeiter. Die Frau, mit der er verlobt war, passt nicht zu ihm. Sie wird darüber hinwegkommen und außerdem: Zum Leben und Lieben sollte man sich Frauen wie dich und Kristina wählen.“
    â€žDie Frau“ hatte sich inzwischen mit der Situation abgefunden, zumindest war das Oskars Version, und Lilly genügte als Beweis, dass sie nachts nicht mehr anrief. Sie war kein Thema mehr zwischen ihnen, aber dass Paolo sie abwertete, war unfair. Gleichzeitig beruhigte sich ein Teil in ihr, der Natalie bisher als subtile Bedrohung im Untergrund gespürt hatte. Sie lebte in der Schweiz und Oskar sah sie nicht mehr, auch wenn ihn seine Geschäftsreisen in die Nähe von Zürich führten.
    Lilly atmete auf. Sie war sehr erleichtert, dass Paolo so warmherzig über Oskar sprach, dass sie das kleine Sätzchen „Er braucht eine Frau wie dich“ geflissentlich überhörte. Sie, die so genau mit Sprache umging, nahm nicht wahr, dass hier von ihr eine Leistung erbracht werden musste, damit Oskar dieser Mann sein konnte, den sie sich

Weitere Kostenlose Bücher