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Lillys Weg

Lillys Weg

Titel: Lillys Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate E. Daimler
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Gedanken zurück und nahm zärtlich ihre Hand. „Wie haben eigentlich deine Beziehungen vor mir geendet?“, fragte Lilly beiläufig und gab sich Mühe, ihrer Stimme einen leichten Ton zu geben. Oskar lachte schallend und stach in die Sachertorte mit Schlagobers, die er sich bestellt hatte: „Es gab immer so eine Art Kuchenesser. Der kam nach einer Weile, und wenn er die Liebe aufgegessen hatte, dann war die Beziehung zu Ende.“
    Sie konnte nicht mitlachen: „Und warum, glaubst du, wird es bei uns anders sein?“ Jetzt wurde Oskar ganz ernst und sah ihr in die Augen: „Weil du anders bist als alle Menschen, die mir bisher begegnet sind, weil du die erste Frau bist, die ich heiraten will.“ Sie sah vor ihrem inneren Auge das Weil-du-anders-Bist in Großbuchstaben und beruhigte sich.
    Die Hochzeit fand ein halbes Jahr später statt.
    Lilly war so sicher, dass sie in Oskar den Mann ihres Lebens gefunden hatte, dass sie keine Zeit mehr vergeuden wollte. Den Rat von Ralf und ihrer Mutter, doch noch zu warten, tat sie als Eifersucht ab. Die beiden wichtigsten Menschen in ihrem Leben mussten sie von nun an teilen. Ihre Mutter hatte Oskar ein einziges Mal gesehen. Er war, nur wenige Wochen vor der Hochzeit, mit ihr gemeinsam in den Bregenzerwald gefahren, um ihre Familie kennenzulernen. Sie waren am Bauerntisch in der Stube mit Blick auf die Kanisfluh gesessen, und als Mama ihre glasklaren blauen Augen auf ihn gerichtet hatte, hatte Lilly ihn zum ersten Mal verunsichert erlebt: „Und was, wenn meine Tochter fünf­zig und du fünfundsechzig bist? Jetzt ist sie noch nicht dreißig und du kaum fünfundvierzig, da spielt der Altersunterschied noch keine Rolle. Aber dann braucht sie etwas anderes vom Leben als du.“
    â€žMama!“, rief Lilly peinlich berührt und wurde rot. Und Oskar, der nur kurz irritiert seine linke Augenbraue hochgezogen hatte, lächelte breit: „Dann werde ich ihr eine lange Leine lassen.“ Lilly war sich vorgekommen wie ein Kind, über das die Erwachsenen redeten. Als ob ich ein Schoßhündchen wäre, dachte sie. Aber ihr war wichtiger, dass Mama ihn mochte, und ihr schien seine Antwort nicht zu missfallen.
    Für Lilly war klar, dass Ralf ihr Trauzeuge sein musste. Er hatte zunächst Bedenken und bestand darauf, dass sie ihm mindestens zwei Drinks lang zuhören musste, damit er seine Liste, warum sie sehenden Auges in ihr Unglück rannte, loswerden konnte. Lilly stimmte fröhlich zu und es war klar, dass seine Predigt ein sinnloses Unterfangen war, weil sie auf Durchzug schalten würde. Nach dem Abend im Gläsernen Elefanten bestand Ralf darauf, dass sie seine Aufzählungen zusätzlich schriftlich entgegennehmen müsse, und überreichte ihr seine „letzte Mahnung“ am nächsten Tag in der Redaktion. Lilly las die Pessimistenprognose, wie sie Ralfs Papier spöttisch nannte, noch einmal durch und schrieb ihre Kommentare darunter, bevor sie sie ins unterste Fach ihres Schreibtischs legte:
    Oskar hatte noch nie eine lang andauernde, ernsthafte Beziehung.
    Ich auch nicht.
    Oskar ist ein Muttersöhnchen, der sich nie von seiner Mutter befreit hat.
    Ich bin eine Vatertochter, also sind wir ein ideales Gespann.
    Oskar ist in grundlegenden Dingen nicht ehrlich. Er hat dir seine ehemalige Verlobte verschwiegen.
    Wer von uns ist schon immer gleich ehrlich? Manchmal ist Schweigen Gold.
    Oskar hat keinen anständigen Beruf.
    Spießer!
    Oskar ist ein Mitarbeiter von Paolo, der undurchsichtige Geschäfte macht.
    Wer sagt das? Die Leute sind eifersüchtig auf seinen Erfolg.
    Deine Schwiegermutter ist eine exzentrische Königskobra.
    Stimmt! Aber ich werde nichts mit ihr zu tun haben.
    Die Hochzeit fand auf dem Standesamt am Schlesingerplatz statt. Oskar kam fast zu spät, weil seine Mutter, die er im Hotel abholen musste, nicht fertig war. Sie hatten alle vor der Türe gewartet, und Lilly war irritiert von ihrem triumphierenden Blick, als sie wie die Königinnenmutter aus dem Oldtimer gestiegen war, den ihr Sohn für den Anlass gemietet hatte. Ralf sagte nichts, aber sie sah an seinem Blick, was er von dieser Szene hielt. Als sie vom achten in den ersten Bezirk in die Hofkonditorei Demel fuhren, bestand Clarissa darauf, bei dem jungen Paar mitzufahren.
    Lilly sah sich auf der Toilette im Spiegel an und kam sich schön und gleichzeitig fremd vor. Ihre wilden Locken waren von Sybille,

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