Lillys Weg
Lokale, keine Ãberstunden in der Redaktion.â Lilly erinnerte ihn daran, dass es auch ein Sohn werden könnte, und legte ihre Hand auf den Bauch, obwohl es noch nichts zu spüren gab.
Ralf war der Nächste, dem Lilly die Neuigkeiten erzählte. Er nahm es gelassen auf und erklärte sich bereit, Pate zu sein, auch wenn das Baby nicht getauft wurde. âWenigstens hast du ein wundervolles Kind, falls eure Beziehung schiefgeht.â Ralf hätte immer gern eigene Kinder gehabt, das war der einzige Wermutstropfen in seiner glücklichen Beziehung zu Chris. Die Vorstellung, sich dafür sexuell mit einer Frau einzulassen, und sei es noch so vorübergehend, war ihm dennoch fremd. Gleichzeitig beneidete er seinen Freund um dessen Phase der Orientierungslosigkeit, in der seine Tochter entstanden war.
Lilly war eine zufriedene Schwangere. Sie war glücklich, dass in ihr ein Wesen heranwuchs, zu dem sie jetzt schon eine innige Beziehung hatte, und litt weder unter Ãbelkeit noch unter speziellen Gelüsten. Ihre Haut war samtweich, und die neue Fülle verlieh ihrer aparten Erscheinung noch mehr Reiz. Oskar war ein zärtlicher, fürsorglicher Ehemann und Liebhaber und sagte schon im Voraus alle Reisen ab, die rund um den Geburtstermin lagen.
Die Schatten waren zurückgedrängt. Lilly dachte nicht mehr an das versunkene Schiff, und Oskar tat alles, um Probleme von ihr fernzuhalten. Er hatte Paolo gebeten, nicht mehr in der Wohnung vorbeizukommen, und wenn er mit ihm telefonierte, machte er die Zimmertüre zu. Lilly war es recht. Sie wollte ihre kleine Familie, ihre Arbeit und sonst nichts.
Lilly wählte sich einen Gynäkologen, Volker Korbei, der bekannt dafür war, dass er den Geburtsprozess als natürliche Begabung sah, den nur die Hebamme unterstützen sollte. Erst wenn es Probleme gab, war er als Arzt zuständig. Oskar wollte zu ihrer Ãberraschung dabei sein und begleitete sie sogar zur Geburtsvorbereitung.
Er war inzwischen bei Lilly eingezogen und es war keine Rede mehr davon, dass die groÃzügige Dreizimmerwohnung zu klein für die beiden Individualisten war. âWir haben ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer und ein Kinderzimmer. Was brauchen wir mehr? Und später werde ich für unsere kleine Prinzessin ein Haus bauen.â
Oskar war so sicher, dass es ein Mädchen würde, dass er das Kinderzimmer vollständig in Rosa ausgestattet hatte. Er kam immer wieder mit Babysachen an und konnte sich über winzige Schuhe, Kleidchen mit Rüschen, kleine Schlafsäcke mit Elefanten bedruckt und Spieluhren mit Kinderliedern wie ein kleiner Junge freuen.
âNur das Taufkleidâ, sagte ihre Mutter, âdas darf er nicht kaufen. Das bringe ich mit. Es wurde aus meinem Hochzeitskleid geschneidert und du hast es schon getragen.â
âMama, wir wollen das Kind nicht taufenâ, sagte Lilly am Telefon und hätte den Satz am liebsten gleich wieder verschluckt. Sie wusste, dass der Glaube eine der Säulen in Mutters Leben war. Unzählige Male war sie als Kind mit ihr nach Bildstein, dem schönsten Wallfahrtsort in Vorarlberg, zur Muttergottes gepilgert und hatte sich den FuÃabdruck im Stein zeigen lassen, wo der Teufel ausgerutscht war. Lilly war gläubig, aber auf ihre eigene Weise. Sie war mit zwanzig aus der Kirche ausgetreten, weil sie die Frauenfeindlichkeit der katholischen Kirche und die Doppelmoral unerträglich fand.
Lea war das schönste Baby der Welt. âDas finden alle Mütter, Gott sei Dankâ, sagte Ralf. âAnders kann man diese kleinen Schreihälse sowieso nicht ertragen.â Sie hatte die braungold gesprenkelten Augen ihres Vaters, den Mund ihrer Mutter und die blonden, starken Haare ihres GroÃvaters geerbt.
Oskar war eine Woche mit Lilly zu Hause geblieben, nachdem sie aus dem Geburtshaus Nussdorf wenige Stunden nach der Entbindung mit einem Plan für die lückenlose Hausbetreuung durch ihre Hebamme entlassen wurde. Dann musste er für drei Wochen nach Hongkong.
Lilly saà oft zu Mittag noch im Nachthemd in der Wohnung und schaffte es kaum, sich ein Brot zu machen und unter die Dusche zu kommen. Sie musste Marlies Abbitte leisten. Als ihre Journalistenkollegin vor zwei Monaten ein Baby bekommen hatte, war sie erstaunt, wie man sich so gehen lassen konnte, nur weil man ein Kind zu versorgen hatte.
In der dritten Woche war sie so weit, dass sie mit Lea in die Redaktion gehen
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