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Lillys Weg

Lillys Weg

Titel: Lillys Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate E. Daimler
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war polnischer Herkunft und hatte nach seinem Jurastudium seinen unaussprechbaren Namen geändert. Sie wusste, dass seine Eltern adelig waren und 1939 bei ihrer Flucht aus der Heimat fast alles verloren hatten. Ein Gutshaus, viel Land und viel Geld. Mit dem, was sie noch retten konnten, hatten sie ihrem einzigen Sohn das Studium finanziert. In Österreich war er ein Neureicher, weil seine polnische Herkunft hier nichts zählte.
    â€žOskar und ich sind so glücklich miteinander, aber diese Versicherungsgeschichte liegt wie ein dunkler Schatten über uns“, sagte sie unglücklich zu Ella, die aus ihrem Rucksack Landjäger, Brot und Senf herausholte und sich auf die überdachte Hausbank vor dem Vorsäß setzte. „Mach dir keine Sorgen, die große Göttin führt dich nur auf Wege, die du auch verkraften kannst.“ Und dann nach einer kleinen Pause: „Wann wirst du mir eigentlich erzählen, dass du schwanger bist?“
    Lilly wollte gerade in ihren Landjäger beißen und hielt erschrocken inne: „Ich bin nicht schwanger, wir haben noch nicht einmal darüber geredet, wann wir Kinder wollen!“ Sie spürte, wie ihr Herz bis zum Hals klopfte. Ein Kind. Mit Oskar. Plötzlich fühlte sie sich ganz leicht und froh. Ihre Regel war seit mehr als einem Monat überfällig, aber das kam öfter vor. Sie hatte sich nicht darüber gewundert.
    â€žWir gehen jetzt ins Tal und fahren sofort zur Apotheke.“ Wenn Ella diesen bestimmten Ton hatte, wusste Lilly, dass jeder Protest zwecklos war. Beim Abstieg war sie bereits eine andere Frau. In ihr, das wusste sie ganz klar auch ohne Test, wohnte ein neues Wesen. Die Welt sah plötzlich anders aus. Jeden Baum, jeden Strauch, die letzten Schneeglöckchen, den Himmel mit den weißen Wolkentürmen, das Eichhörnchen, das vor ihnen auf ­einen Baum flüchtete, all das würde sie ihrem Kind zeigen. Sie holten den Test, fuhren beim Bauern vorbei, nahmen ein paar Goaskäsle mit und, während sie auf das Ergebnis warteten, breitete Ella ihre Tarotkarten aus.
    Es wurde eine lange Nacht, in der alle Zweifel, ob Lilly ihr Kind dieser unsicheren Welt aussetzen durfte, von Ella zerstreut wurden. „Es hat sich seine Eltern ausgesucht“, sagte sie. „Die Kinder wissen schon, was sie wollen. Sie wählen sich ihr Schicksal ganz bewusst, und wir haben die Aufgabe, sie liebevoll dabei zu begleiten.“ Die dunkle Wolke war verschwunden. Es würde alles gut gehen.
    Lilly wollte sofort zu Oskar. Sie dachte an seine braunen Augen mit den goldenen Sprenkeln, an seinen breiten Mund, und liebte dieses Baby, noch ehe es geboren war. Ihr gemeinsames Baby.
    Am Bahnhof in Dornbirn kaufte sie ein Magazin, auf dem eine Schwangere abgebildet war, und vertiefte sich im Zug in das Mysterium, plötzlich eine werdende Mutter zu sein.
    Oskar stand am Bahnhof, in der Hand einen Rosenstrauß, und hob sie hoch wie eine Feder, obwohl sie einen Kopf größer war als er. „Meine Elfe, ich habe dich so vermisst, lass uns nach Hause gehen, ich habe uns etwas gekocht.“ Wenn Oskar kochte, was selten vorkam, war es jedes Mal ein Fest. Er zelebrierte seine Kunst mit raffinierten Gerichten und hatte darauf bestanden, Lillys kargen Junggesellinnenhaushalt mit edlem Geschirr, Besteck, Gläsern, Kerzenleuchtern und Damasttischwäsche auszustatten. „Das ist meine Morgengabe“, hatte er damals gelächelt und aus den vielen Schachteln und Tüten als Draufgabe noch ein paar Garnituren Seidenbettwäsche hervorgezaubert.
    Sie nippte nur am Wein, und als sie später im Bett lagen und einander zärtlich und leidenschaftlich liebten, öffnete Lilly in ihrem Inneren einen Raum, von dem sie bisher nicht einmal gewusst hatte, dass es ihn gab. Es war, als ob sie Oskar erlaubte, noch tiefer in sie einzudringen. Als sie zum ersten Mal zur gleichen Zeit ihre Ekstase herausschrien, dachte Lilly einen kleinen Moment daran, ob das dem Baby nicht zu laut sein könnte.
    Später, als sie in seinen Armen lag, flüsterte sie ihm die Neuigkeit ins Ohr. Oskar weinte wie ein Kind vor Freude und überschüttete seine Frau mit Küssen. Später stand er auf, zog Lilly aus dem Bett und tanzte mit ihr durch die Wohnung. „Wir werden eine kleine Elfe haben, wir werden eine kleine Elfe haben“, sang er und bestand darauf, dass sie sich ab sofort schonen sollte. „Kein Alkohol, keine verrauchten

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