Lillys Weg
istâ, war einer der glücklichsten Tage in Lillys Leben. Sie stand am Vormittag vor dem Landesgericht und lieà die Fragen, die von den zahlreichen Journalistenkollegen an sie gerichtet wurden, ohne Kommentar. Als sich die Türen im Blitzlichtgewitter der Fotografen endlich öffneten, zeigte Paolo, der lächelnd herauskam, das Victoryzeichen, und Oskar stürmte sofort auf Lilly zu. Sie dachte sich nichts dabei, als die Fotografen die beiden Männer baten, sie gemeinsam auf die Arme zu nehmen. Sie war einverstanden, dass die Welt wusste, dass sie zu ihrem Mann stand. Kristina war der Haftentlassung ferngeblieben.
Der Abend war erfüllt von Dankbarkeit und Kuscheln mit den Kindern. Endlich wieder vereint. Lilly war nicht zornig, und sie stellte keine Fragen. Sie hätte darauf bestehen sollen, dass Oskar ihr endlich erklärte, was damals geschehen war. Stattdessen verdrängte sie das Ereignis erfolgreich und versenkte es an einem Ort in ihrem Inneren, wo auch die Angst wohnte. Das hatte sie von ihrer Mutter gelernt. âMan muss das Beste daraus machenâ, war ihr Wahlspruch für alle Lebenslagen. Die Justiz hatte sich geirrt, Oskar war wieder zu Hause, der Albtraum war vorbei.
Am nächsten Tag lagen die Zeitungen schon auf Lillys Schreibtisch, als sie in die Redaktion kam. Sie hatte sich noch keinen Kaffee geholt, als Ralf hereinstürmte, den Zeitungsstoà hochnahm und auf den Tisch knallte: âWas, um Gottes willen, hast du dir dabei gedacht? Muss wirklich die ganze Nation dein Gesicht mit dem âFall Esmeraldaâ verknüpfen? Wieso warst du nicht so klug wie Kristina, die sich nicht gezeigt hat?â
Lilly setzte sich. Sie war ausgelaugt von der Aufregung der letzten Wochen. Sie blätterte durch den Zeitungsstoà und sah fast überall das gleiche Foto auf der Titelseite: Im Hintergrund das Landesgericht, im Vordergrund Oskar und Paolo. Und quer über den beiden, die sie mit ausgebreiteten Armen hielten, lag sie. Strahlend und stolz, dass ihr Mann wieder frei war.
âIch stehe zu ihmâ, sagte sie trotzig.
âDas ist das eine. Dagegen hat niemand etwas. Das andere ist, dass du dir überlegen solltest, ob du das Etikett, die Frau des Angeklagten, wirklich haben willst.â
âEr ist kein Angeklagter.â
âDas weiÃt du. Die Ãffentlichkeit macht sich das Bild, das ihr die Medien vorgeben. Mein Gott, Lilly, du bist Journalistin, sei doch nicht so naiv. Und auÃerdem bist du die Herausgeberin einer Zeitschrift.â
Sie wusste, dass Ralf recht hatte, und beschloss, sich nicht mehr öffentlich zu äuÃern.
Der Alltag kam zurück, Lilly gelang es, die Erinnerung an die U-Haft zu verdrängen, doch die dunkle Wolke blieb. Zunächst unsichtbar, hinter einem scheinbar blauen Himmel verborgen. Lilly ignorierte, dass sie mit ihrer Familie auf einem Pulverfass lebte, das sie nicht kontrollieren konnte.
05 Hubert aus Mellau, wie machst du deinen Käse? Du tust ihn in einen Kübel und drückst ihn mit dem Hintern, darum ist er so würzig.
06 âWiener Mädchenâ
3. Kapitel
Lilly konnte Oskar nicht erreichen, er hatte Kinderdienst und ging nicht ans Telefon. Wahrscheinlich war er wieder bei der Gutenachtgeschichte eingeschlafen.
Sie war müde und ärgerte sich, dass sie nicht mit dem Auto nach Linz gefahren war. Dann hätte sie sich jetzt einfach ans Steuer setzen können und wäre in zwei Stunden wieder bei Âihrer Familie gewesen. Der berühmte Paartherapeut hatte das Interview mit ihr nach seinem Vortrag abgesagt. Er musste Âsofort in die Schweiz zurück, und Lilly saà am Bahnhof und wartete auf den nächsten Zug nach Wien. Sein Angebot,
am nächsten Tag ein ausführliches Gespräch am Telefon zu führen, hatte sie frustriert angenommen und sich auÃerdem darüber geärgert, dass sie eine Nacht im Hotel umsonst bezahlt hatte.
Im Zug setzte sie sich in den Speisewagen, aà eine Käseplatte, trank ein Glas Wein und machte sich Notizen zum Vortrag. Es ging um âKrise als Chanceâ, und Lilly fragte sich, wo die Grenze war. Gab es wirklich so etwas wie ein unfreiwilliges Reinemachen in der Beziehung, bei dem schmerzliche Ereignisse als Katalysator für einen Neuanfang dienten?
Traf das, nach sieben Jahren Ehe und zwei Kindern, auf Oskar und sie zu? Und wie lange waren die glücklichen Zeiten schon vorbei?
Sein Seitensprung war für sie wie ein
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