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Lillys Weg

Lillys Weg

Titel: Lillys Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate E. Daimler
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und sah Lilly entsetzt nach, die an ihr vorbei ins Schlafzimmer stürmte. Oskar lag nackt im Bett und zog in Panik ein Laken über seine Blöße, als er seine Frau sah. Lilly schlug ihm ins Gesicht, drehte sich um und ging ins kleine Gästezimmer. Lea und Niklas lagen gemeinsam auf der ausgezogenen Couch. Sie lächelten im Schlaf und Lilly unterdrückte ihren Impuls, sie aus den Betten zu reißen. Sie strich ihren Kindern über die Stirn und ging noch einmal ins Schlafzimmer zurück, wo Oskar sich gerade bemühte, sich möglichst schnell anzuziehen. „Lass die Kinder schlafen, sie können nichts dafür.“ Sie drehte sich auf dem Absatz um und schlug die Tür hinter sich zu.
    Lillys Vater war ein Mann gewesen, der kaum jemals die Beherrschung verloren hatte. Von ihm hatte sie gelernt, dass sie, bevor sie eine impulsive Handlung vornahm, die Folgen über­legen sollte. Es glückte ihr meistens nicht, weil sie, wie Ralf es nannte, ein Häferl war, das leicht überging. Doch heute, als sie ihre Kinder so entspannt im Schlaf sah, war ihr klar, dass sie nicht das Recht hatte, sie mitten in der Nacht mit ihrem Drama zu verstören.
    Lilly rannte den menschenleeren Gehsteig entlang und bog wie betäubt in die breite Praterstraße Richtung Schwedenplatz ein. Plötzlich hielt sie inne und wechselte die Straßenseite. Sie ging bis zum Haus Nr. 56, in dem Paolo seine persönliche Stadtwohnung, wie er sein Liebesnest nannte, gemietet hatte, und stand unschlüssig davor. Sollte sie einfach läuten und ihn, falls er da war, um Rat bitten? Er kannte Oskar wie kein anderer.
    Sie sah zu den dunklen Fenstern im zweiten Stock hoch und erinnerte sich, dass sie damals, als sie mit ihm eine Affäre angefangen hatte, ihr Schicksal eingeladen hatte. Paolo hatte ihr Oskar vorgestellt.
    Als sie weiterging, schlug sie sich gegen die Stirn. Wie blöd konnte man doch sein. Sie hatte alle Anzeichen ignoriert. Sybilles Ausruf „Wie kann man in dieser Situation ein zweites Kind bekommen“, als sie mit Niklas schwanger war, nahm plötzlich seine passende Bedeutung an. Der Tag, an dem sie sie als Botin missbraucht hatte, um Oskar einen Liebesbrief in die U-Haft zu schicken, die Vertrautheit zwischen den beiden, die sie als Großfamilienidylle verherrlicht hatte … Lilly spürte, wie ihr Magen revoltierte und versuchte, den Brechreiz unter Kontrolle zu bekommen. Sie stand auf der Schwedenbrücke, die den zweiten mit dem ersten Bezirk verbindet, und starrte auf das Wasser, in dem sich die Straßenlaternen spiegelten.
    Sie hatte nur einmal daran gedacht, sich umzubringen. Damals war sie noch fast ein Kind gewesen. Sie war, als Vater sie eine Hure genannt hatte, am nächsten Tag zum Franz-Josefs-Bahnhof gegangen, der nur wenige Minuten von der Porzellangasse entfernt lag. Nicht, um sich vor einen Zug zu werfen. Das hätte sie ihren Eltern nicht angetan. Sie wollte, dass es wie ein Unfall aussah, und war lange an der belebten Kreuzung Ecke Alserbachstraße gestanden. Ein kleiner Schritt, kurz nachdem die Ampel auf Grün schaltete, hätte genügt.
    Sie würde sich nicht umbringen, auch wenn das Leben so düster war wie nie zuvor. Lea und Niklas brauchten sie. Sie erbrach, mit dem Oberkörper über das Brückengeländer gebeugt, und kotzte sich den Verrat aus dem Leib. Verraten von ihrem Mann und ihrer Freundin. Am widerlichsten war das Bild, wie sie Sybille im Detail ihre Sorgen anvertraute und sie ihr stolz die Uhr zeigte – die Oskar ihr geschenkt hatte!
    Sie ging den ganzen Weg bis in die Servitengasse zu Fuß und legte sich allein ins Bett. Ihre Familie war bei Sybille.
    Oskar kam gegen neun Uhr morgens, ohne die Kinder. Er hatte Lea und Niklas schon in die Kindergruppe gebracht. Lilly war dankbar dafür.
    Sie saßen am Küchentisch und Lilly sagte: „Wieso, Oskar? Wieso?“
    â€žIch war so unglücklich damals, als die Geschichte mit Rosi anfing, dass ich Sybille ins Vertrauen zog. Sie war es auch, die mich beriet, als es nicht einfach war, mit dir wieder neu anzufangen. Sie wurde so etwas wie ein Zufluchtsort für mich, und mit der Zeit wurde es dann mehr als das.“
    Lilly spürte, wie die Übelkeit in ihr hochstieg. Sybille als Eheberaterin für beide!
    â€žLiebst du sie?“
    Oskar schwieg so lange, dass das Schweigen Lillys Urteil war.
    â€žIch liebe dich und die Kinder, ihr seid meine Familie. Und

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