Lillys Weg
Meeting abgeholt hatte. âIch habe Sie schon erwartetâ, sagte er und bot ihr einen Sessel und einen Cognac an.
âSie wissen, dass Paolo mit Unterstützung Ihres Mannes eine Uranerzaufbereitungsanlage auf die Philippinen geschickt hat. Das Schiff wurde in Chioggia bei Venedig beladen und sank im Indischen Ozean, in der Nähe der Malediven. Nur sechs der zwölf Besatzungsmitglieder haben überlebt. Angeblich soll die Esmeralda gesprengt worden sein. Wie immer es war, die beiden haben nichts mit der Sprengung zu tun, aber sie hatten keine korrekten Versicherungspapiere. Nun behauptet die Versicherung, dass, anstelle der zweihundertzwölf Millionen teuren Anlage, nur wertloser Schrott an Bord gewesen sei.â
Als Klarian geendet hatte, nahm Lilly ihren ganzen Mut zusammen und sagte: âUnd was glauben Sie?â
Paolos Anwalt setzte seine professionelle Maske auf und antwortete: âDie Sache ist kompliziert, aber wir werden alles tun, um Paolo und Ihren Mann zu entlasten.â Lilly war klar, was diese Reihenfolge bedeutete, als sie zu Fuà den Ring entlang lief. âIch muss für dich einen eigenen Anwalt finden, der nur deine Interessen vertrittâ, sagte sie laut. Es schneite. Sie liebte die Stadt, wenn sie im weiÃen Kleid so unschuldig aussah, aber heute hatte sie keinen Blick dafür. Sie wollte Klarheit. Wieso hatte sie bis jetzt die Augen einfach zugemacht? Sie wusste keine Details über den âFall Esmeraldaâ, wie die Medien ihn nannten, und fragte sich, wieso sie Oskar nicht gezwungen hatte, ihr die Wahrheit zu erzählen. Ihr Schicksal und das Schicksal der Kinder waren mit dieser Geschichte eng verwoben, ob sie es wollte oder nicht. Als sie in ihrer Wohnung ankam, waren ihre FüÃe nass und die Schneehaube auf ihrem Kopf schmolz und tropfte auf ihr Gesicht. Ralf war noch da. Er hatte die Kinder mit Hilfe von Tilde, die er angerufen hatte, ins Bett gelegt.
âRalf, ich brauchâ dich jetzt. Ich muss mit jemandem offen reden können. Bitte, kannst du deine Vorbehalte gegen Oskar vergessen und mich unterstützen?â Ralf nahm sie in die Arme, schenkte ihr einen Whisky ein und holte dann einen dicken Stapel Zeitungsberichte aus seiner alten, braunen Ledertasche, mit der er vermutlich sogar ins Bett ging.
âIch habe alles zusammengetragen, was in den letzten Jahren über die Esmeralda geschrieben wurde. Hier hast du die Essenz der gesammelten Berichterstattung. Ich habe schon vor längerer Zeit ein kleines Archiv angelegt und kann dir eine Zusammenfassung geben: Wenn die Versicherung aufgibt, müssen sie nicht nur die Versicherungssumme, sondern auch die Prozesskosten bezahlen. Sie werden alles tun, um ein schuldhaftes Verhalten von Paolo und Oskar nachzuweisen. Bisher haben einige maÃgebliche Politiker des Landes die Hand über die beiden gehalten. Wie lange das noch gut gehen wird, weià angesichts ihrer Verhaftung im Augenblick niemand. Die Tatsache, dass sie keine korrekten Versicherungspapiere haben, weist meiner Meinung nach darauf hin, dass sie das Schiff sicher nicht in die Luft gesprengt haben. Nur ein Idiot bereitet keine wasserdichten Papiere vor, wenn er so etwas vorhat. Wenn du meine Meinung hören willst, haben sie wahrscheinlich Dreck am Stecken, aber einen anderen. Es könnte sein, dass sie Waffengeschäfte mit anderen Ländern gemacht haben. Es macht Sinn, dass ein Geheimdienst die Ware in die Luft gesprengt hat. Und es gibt immer noch Gerüchte, dass der Verteidigungsminister, der mit Paolo eng befreundet war, sich bei dem Jagdausflug nicht selbst erschossen hat, sondern erschossen wurde. Die Selbstmordtheorie ist mehr als fadenscheinig. Wer schieÃt sich schon freiwillig in den geschlossenen Mund und hält die Waffe als Rechtshänder in der linken Hand. Der Botschafter von Athen, der einen Waffenskandal aufgedeckt hat, ist ebenfalls tot und möglicherweise auch nicht an Herzversagen gestorben. Es wird gemunkelt, dass auch er umgebracht wurde.â
Ralf hatte Freunde in gut informierten Kreisen und war über vieles in diesem Land informiert, was niemals in offizielle Kanäle gelangte.
Lilly spürte, wie die Angst kalt über ihren Rücken kroch. Wenn das stimmte, war Oskar in Lebensgefahr. Hier ging es nicht um ein Scharmützel mit einer gierigen Versicherung, hier ging es um Interessen, bei denen ein Menschenleben nichts wert war.
Sie hatten eine klare Arbeitsteilung in
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