Lily und der Major
sich prüfend. Was
hätte sie dafür gegeben, so zierlich und so blond zu sein, wie Major Hallidays
Lily! Doch es war zwecklos, sich etwas zu wünschen, was nicht sein konnte.
Sie sah Judds Gesicht im Spiegel und
schaute zu, wie er sich aufsetzte und sich einen Zigarillo anzündete. Das
häßliche Grinsen auf seinem Gesicht veranlaßte Velvet, sich zu ihm umzudrehen.
»Warum grinst du so?« fragte sie.
Er sog tief den Rauch des Zigarillos
ein, bevor er antwortete. »Ich grinse über dich«, erwiderte er. »Über dich und
die hoch trabenden Ideen, die dir jetzt im Kopf herumschwirren. Aber du
verschwendest deine Zeit, wenn du glaubst, du brauchtest weder mich noch das
Geld, das ich dir gebe.«
Velvet wäre vielleicht weniger
ärgerlich gewesen, wenn sie nicht schon zum gleichen Schluß gekommen wäre. Sie
ging zur Wand und strich mit den Finger über das einzige gute Kleid, das sie
besaß und das dort hing. Die knisternde Frische des gestärkten schwarzen
Batists erfüllte sie mit Stolz. Vielleicht vergeudete sie wirklich ihre Zeit,
wie Judd sagte, aber sie wußte, daß sie etwas unternehmen mußte, um ihr Leben
zu verbessern. Wenn es einen Weg aus Suds Row gab, einen Weg, der sie von Judd
Ingrams Forderungen erlöste, dann wollte sie ihn finden!
Verärgert über Velvets Schweigen, warf
Judd die Bettdecke zurück. »Hörst du mir überhaupt zu, Frau?«
»Ja, Judd, ich höre zu«, antwortete
sie leise, denn sie fürchtete ihn, wenn dieser Blick in seine Augen trat.
Judd kam zu ihr, packte ihren Arm
und drehte sie grob zu sich herum. »Du bist keine süße, kleine Lily«, erinnerte
er sie höhnisch, »und niemand wird sich den Hals nach dir verrenken, wie sie
es bei ihr tun. Wenn du auf sie hörst und dir Hoffnungen machst, daß es einmal
besser für dich werden könnte, stehen dir nichts als bittere Enttäuschungen
bevor.«
Velvet biß sich auf die Lippen und
schwieg.
Judds Augen wurden schmal, er beugte
sich vor, und Velvet konnte seinen faulen Atem riechen, der nach Whiskey stank.
»Ich bin noch nicht mit dir fertig«, brummte er, bevor er Velvet zum Bett
hinüberzog und sie auf die ausgeleierte Matratze stieß.
Er öffnete ihren Morgenrock und
entblößte ihre schweren Brüste, ihren Körper.
Velvet schloß die Augen und hoffte,
daß es bald vorüber war. Judd war nie ein zärtlicher Liebhaber gewesen, aber
wenn er in dieser Stimmung war, konnte er sogar ausgesprochen grob werden.
Manchmal half es, wenn sie an die Decke starrte und an etwas anderes dachte. An
jenen Tag zum Beispiel, als sie mit ihrem Vater und ihrem Bruder Eldon nach
Westen gezogen war. Es waren herrliche Zeiten gewesen, und nichts hatte sie
getrübt außer ihrer Trauer um Hank. Dann war
Eldon der Cholera erlegen, und Pa hatte beim Überqueren des Snake Rivers den
Tod gefunden ...
Judd war fast fertig; Velvet spürte
es an seinem Keuchen und an den schnellen, brüsken Bewegungen seiner Hüften. Er
war sehr dünn, aber seine Muskeln waren sehnig und hart wie Stahl. Velvet legte
die Hände auf seinen Rücken und trieb ihn mit ihrem Streicheln an.
Als er sich auf dem Gipfel seiner
Ekstase versteifte, warf er den Kopf zurück und stöhnte: »Lily ... o Gott ...
Lily ...«
Velvet war nicht überrascht, daß er
so tat, als sei sie jemand anderer, aber ein Frösteln lief über ihren Körper.
Leider mußte sie nun so tun, als hätte Judd ihr Befriedigung geschenkt, denn
sonst würde er sie schlagen.
Sie krümmte den Rücken und bildete
sich ein – in dem sie sich an Judd ein Beispiel nahm –, es sei Hank, der auf
ihr lag. Zu ihrem Erstaunen spannten sich ihre Muskeln plötzlich an, und der heisere
Schrei, der ihr entwich, war echt.
Judd lachte heiser und nahm eine von
Velvets Brustspitzen zwischen seine Zähne. »Siehst duz« keuchte er. »Du
brauchst mich doch.«
Ja, Hank, antwortete eine leise
Stimme von jenem Ort, wo Velvets Seele sich verbarg. Ja, ich brauche dich.
Judd ließ seine Zunge über ihre
Brustwarze gleiten, und Velvet bog ihm mit einem leisen Stöhnen ihre Hüften
entgegen. »Sag es!« befahl Judd rauh.
»Ich brauche dich«, flüsterte sie,
während der Regen auf das undichte Dach prasselte.
Der Regen war schwächer geworden, als Lily durch die Straßen zu
Colonel Tibbets Haus eilte, wo die Abschiedsfeier für Sandra stattfand. Lily
hoffte nur, daß Caleb nicht anwesend war, obwohl sie sich nach seinem Anblick
sehnte.
Warmer Lichtschein begrüßte sie, als
sie das Tor öffnete und zum Hauseingang ging.
Es war Corporal
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