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Lily und der Major

Lily und der Major

Titel: Lily und der Major Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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Carolines Verbleib wissen mußte. Vielleicht war
Kathleen Harrington der einzige Mensch auf Erden, der wußte, wo ihre Schwestern
waren.
    Mit klopfendem Herzen kehrte Lily um
und lief zum Laden zurück. Ohne auf die tuschelnden Damen zu achten, die die
Auslage betrachteten, riß sie die Ofentür auf. Sie hatte Glück – der Ofen war
kalt. Es brannte kein Feuer darin.
    Rasch nahm sie Brief und Umschlag
heraus.
    »Ich habe es selbst gesehen«, sagte
eine der Kundinnen spitz. »Sie saß dort auf dem Stuhl und trank Brandy wie ein
Mann.«
    Ohne sich an ihrer Kritik zu stören,
faltete Lily den Brief zusammen, steckte ihn in den Umschlag und verließ das
Geschäft.
    Zu Hause
beschloß sie, den Brief gleich zu beantworten.
    Liebe Mama, begann sie, um das Blatt dann wieder
zu zerreißen. Falls Kathleen glaubte, ihre Tochter mit wenigen freundlichen
Worten zurückgewinnen zu können, hatte sie sich getäuscht.
    > Liebe Mrs. Harrington < , schrieb Lily schließlich und teilte
ihrer Mutter mit, daß sie wegen > dringender Geschäfte < im Moment nicht
abkömmlich sei. Dann formulierte sie mit zitternden Fingern die für sie am
wichtigsten Frage: Ob ihrer Mutter etwas über den Aufenthaltsort ihrer anderen
beiden Töchter bekannt sei?
    Nachdem Lily eine Zeitlang mit sich
gerungen hatte, ob sie den Scheck zurückschicken oder behalten sollte, überwog
ihr Sinn fürs Praktische. Sie steckte den Scheck zwischen die Seiten von Typhoon
Sally, versiegelte den Brief an ihre Mutter und brachte ihn gleich zur
Post.
    Am Samstag morgen wartete Lily auf die Postkutsche.
    Mrs. Tibbet, die sie gesehen hatte,
kam zu ihr hinüber. »Sie wollen uns doch nicht etwa verlassen, Lily?« fragte
sie mit besorgter Miene und ergriff Lilys Hand.
    Lily schüttelte den Kopf. »Nächsten
Samstag komme ich zurück«, versicherte sie. »Ich habe etwas in Spokane zu erledigen.«
    Mrs. Tibbet wirkte keineswegs
beruhigt. »Brauchen Sie Hilfe, meine Liebe? Wenn es irgend etwas gibt, was John
und ich ...«
    »Nein, es ist alles bestens«,
unterbrach Lily sie sanft. »Ich habe eine ... kleine Erbschaft gemacht und
möchte das Geld bei einer Bank deponieren. Außerdem muß ich einige Dinge für
meine Farm bestellen.«
    Mrs. Tibbet schüttelte verblüfft den
Kopf und drückte Lilys Hand. »Solange Sie nur zurückkommen! Ihre Freundin
Velvet macht sich übrigens ausgezeichnet, Lily. Sie ist die beste Haushälterin,
die ich je hatte – stets bemüht, mir alles recht zu machen.«
    Lily war entzückt.
    »Ich denke sogar schon daran, sie
nach Fox Chapel mitzunehmen, wenn John die Armee verläßt«, fuhr Mrs. Tibbet
fort, küßte Lily zum Abschied auf die Wange und ging dann weiter, um ihre
Besorgungen zu machen.
    Während Lily auf die Abfahrt ihrer
Kutsche wartete, kamen zwei Damen vorbei. Da sie sie aus der Kirche kannte,
lächelte Lily ihnen freundlich zu.
    Doch die Frauen maßen sie nur mit
einem ärgerlichen Blick und machten einen auffälligen Bogen um sie, und Lily
fühlte sich, als wäre sie geohrfeigt worden. Mit hochroten Wangen stieg sie in
die leere Kutsche. Ihr erster Gedanke war, daß die Frauen von ihrer Beziehung
zu Major Halliday erfahren hatten, aber dann erkannte sie, daß das ziemlich
ausgeschlossen war. Es mußte ihre Wäscherei sein und das Gerücht, Lily sei eine
Frau von lockerer Moral, was die Frauen veranlaßt hatte, sie zu brüskieren. Am
liebsten wäre Lily ihnen nachgelaufen, um ihnen klarzumachen, daß sie nie Geld
von einem Mann für etwas anderes genommen hatte als für das Waschen seiner Kleider,
aber das ließ ihr Stolz nicht zu. So blieb sie still in der Kutsche sitzen und
wartete darauf, daß Mr. Hargrave, der Kutscher, sich zur Abfahrt bereit
erklärte.
    Eine rundliche Frau mit einem
heranwachsenden Mädchen bestieg den Wagen und setzte sich Lily gegenüber.
    »Hallo«, sagte das Mädchen mit einem
freundlichen Lächeln zu Lily.
    Bevor Lily den Gruß erwidern konnte,
holte die Mutter des Mädchens aus und schlug es hart auf seine Hand. »Wage es
nicht, diese Frau noch einmal anzusprechen, Alvinia!«
    Lily preßte die Lippen zusammen. Es
versprach eine lange Fahrt zu werden.

11

    »Wo ist Lily?« fragte Caleb ohne Einleitung, als er Gertrude in
ihrem Salon aufsuchte, wo sie eifrig stickte.
    Gertrude lächelte. »Setz dich,
Caleb, und beruhige dich. Sie ist nicht aus der Welt. Hat Sandra ihren Zug
erreicht?«
    Den Hut in der Hand, hockte Caleb
sich auf eine Sessellehne und nickte ungeduldig. »Sie wird Ende der Woche in
Pennsylvania

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