Lily und der Major
überall, in ihren Haaren und zwischen ihren Zehen. Verzweifelt klatschte
sie mit der Hand auf ihre nackte Haut, aber es war aussichtslos. Es gab keine
Entkommen vor den roten Biestern.
Caleb ritt heran, als Lily gerade in
den eiskalten Bach eintauchte. Gelassen hing er seinen Hut ans Sattelhorn,
stützte die Hände auf die Hüften und musterte Lily grinsend.
»Ameisen?« erkundigte er sich höflich.
Er war die erste und letzte Person,
die Lily jetzt sehen wollte. Sie richtete sich im Wasser auf und verschränkte
die Arme über der Brust. Ihre Glieder waren von der Kälte schon so taub, daß
sie sie nicht mehr spürte, und ihre Zähne klapperten. Bei Calebs Anblick stieß
Lily einen erstickten Schrei aus und rief: »G-gib mir meine Kleider!«
Caleb hob die Hosen, das Hemd und
die Strümpfe auf und betrachtete sie schmunzelnd. »Es können nicht deine Sachen
sein, Lily – sie scheinen einem jungen Mann zu gehören!«
Lily watete zornig aus dem Wasser.
»Du weißt sehr gut, daß sie mir gehören!« sagte sie verdrossen, riß ihm die
Sachen aus der Hand und fing an, sich anzuziehen.
Leicht war es nicht, da sie naß war,
aber schließlich hatte sie es geschafft. Als sie sich zu Caleb umdrehte, hockte
er neben ihrem Reisigstapel, aus dem jetzt kleine Flammen züngelten.
Lily starrte Caleb an. »Wie hast du
das gemacht?«
»Ich habe ein Streichholz
angezündet.«
Lily erwiderte nichts. Sie fand
einen flachen Felsen und setzte sich, um ihre Schuhe anzuziehen. Dann zog sie
ihre Tasche heran und nahm einen Kamm heraus.
»Hast du Hunger?« fragte Caleb.
Lilys Magen knurrte. »Ja«, gestand
sie.
Caleb warf ihr einen Riegel Candy
zu. »Hier. Vielleicht hältst du es damit aus, bis ich ein Kaninchen schießen
kann.«
Lily biß hungrig ein Stück Candy ab.
»Du glaubst wohl, ich könnte allein in der Wildnis nicht überleben«, sagte sie
mit vollem Mund. »Aber in Wirklichkeit ...«
Caleb zog seinen Revolver und lud
ihn mit Patronen aus seinem Gürtel. »Darüber reden wir später«, sagte er
unfreundlich, bevor er sich abwandte und in der Dunkelheit verschwand.
Ein paar Minuten später erklang ein
Schuß, und Lily fuhr zusammen. Sie war froh, als Caleb wieder ins Licht des
Lagerfeuers trat. Mit seinem Taschenmesser schnitzte er einen Spieß und
steckte das abgehäutete Kaninchen darauf. Den Candy hatte Lily längst
verspeist, aber damit war ihr Hunger nicht gestillt.
»Bist du mir gefolgt?« fragte sie,
während sie ihrem Koch beim Grillen zusah und ihr Magen wütend knurrte.
»Ja.« Caleb setzte sich zu Lily.
»Ich wollte sehen, wie du zurechtkamst.«
Er brauchte nicht erst zu sagen, daß
Lily den Test nicht bestanden hatte; das wußte sie selbst. »Ich dachte, ich könnte
Tylerville noch vor Einbruch der Nacht erreichen.«
Irgendwo schrie eine Eule, und ein
Kojote heulte in der Entfernung. Caleb warf einen Blick auf Dancer, der ein
paar Schritte entfernt graste. »Wenn du nicht so ein dummes Pferd gekauft
hättest, wäre es dir vielleicht sogar gelungen.«
Caleb hatte vermutlich recht, aber
Lily war weit davon entfernt, es zuzugeben. »Es ist ein hübsches Pferd«, sagte
sie, weil ihr nichts Besseres zu Dancers Verteidigung einfiel.
Caleb stand
auf, um nach dem Kaninchen zu sehen. »Ja, aber das hat dich nicht weit
gebracht, wie du sehen kannst.« »Dein Pferd ist natürlich schneller.«
»Zweifellos.«
Lily seufzte. Es war sinnlos, mit
ihm zu diskutieren. »Ist es dir gelungen, Bianca zum Bleiben zu überreden?«
Caleb
lächelte aufreizend. »Das kann schon sein.«
Lily senkte
den Blick. »Eine sehr vage Antwort.«
Ȇber Bianca reden wir ein andermal.
Jetzt möchte ich wissen, warum du so überstürzt aufgebrochen bist. Es ist
nicht ungefährlich für eine Frau, allein durch diese Wildnis zu reiten.«
»Ich bin
nicht ängstlich.«
Caleb schürte das kleine Feuer.
»Weil du dazu nicht genug Verstand besitzt«, entgegnete er sachlich.
Lily legte ihren Kopf an seine
Schulter. »Wirst du nun deine Beziehung zu Bianca wieder aufnehmen?«
Caleb lachte. »Wohl kaum. Aber ich
gebe zu, daß es mir Spaß gemacht hat, dich eine Zeitlang in diesem Glauben zu
belassen.«
»Du glaubst doch wohl nicht, es
hätte mir etwas ausgemacht!« bluffte Lily. Es wurde allmählich kalt, sogar am
Feuer, und sie schlug die Arme um ihren Körper.
Caleb zog seinen Rock aus und legte
ihn um Lilys Schultern. »Dann war es dir also egal?« erkundigte er sich
schmunzelnd. »Nein«, sagte sie ehrlich. »Es hat mich schon
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