Lily und der Major
mir, Caleb!« wisperte sie.
»Dir
helfen? Wenn er sein Angebot auf drei Pferde erhöht, hast du
heute abend Zöpfe und sitzt in seinem Zelt!«
Die
Indianer schienen miteinander zu beraten, und Lily geriet in Panik.
»Denk dran, daß ich dein Kind unter dem Herzen trage!«
»Drei
Pferde!« sagte Caleb ungerührt.
»Ich
heirate dich!« sagte Lily schnell.
»Schwörst
du es?«
»Ja.«
»Wann?«
»Weihnachten.«
»Das reicht
mir nicht.«
»Nächsten
Monat dann.«
»Heute.«
Lily
stellte sich das Leben als Indianersquaw vor und nickte rasch.
»Heute!«
Der Mann in
dem bunten Hemd kam auf sie zu. »Blaurock sagt die
Wahrheit – Frau viel Ärger.«
Caleb
lachte. »Sehr, sehr viel Ärger«, stimmte er zu.
»Das ist Indianerland«, erklärte der Krieger entschieden, bevor er
einen markerschütternden Schrei ausstieß und mit seinen
Stammesgenossen den Hügel hinaufgaloppierte.
Lily drehte
sich zu Caleb um. »Ich habe gelogen«, gab sie offen zu.
»Ich hatte nie die Absicht, dich zu heiraten.«
»Du willst
dein Wort brechen?«
»Ja«,
antwortete Lily und wandte sich zum Buggy. »Ich wollte mich nur
retten. Und ein Kind bekomme ich auch nicht – ich habe heute
meine Periode bekommen«, fügte sie hinzu, obwohl es eine
glatte Lüge war.
Caleb
packte ihren Arm und zwang sie, ihn anzusehen. »Ist das wahr,
Lily? Du bist nicht schwanger?« Sie senkte den Blick.
»Nein.«
»Ich hätte
doch die zwei Pferde nehmen sollen«, knurrte Caleb und
hob Lily recht unsanft in die Kutsche.
Eine Stunde später war Lily in ihrem Haus und
überdachte ihre Lage. Die Indianer konnten wiederkommen, wenn sie ganz allein
auf ihrem Land lebte, und dann ging es vielleicht nicht ganz so glimpflich für
sie ab wie heute ...
Ein energisches Klopfen ließ sie
zusammenfahren, und bevor sie die Tür öffnete, schaute sie aus dem Fenster.
Doch es war nur Velvet, die auf
ihrer Schwelle stand.
Lily zog den Riegel zurück. »Hallo,
Velvet«, sagte sie erfreut. »Kommen Sie herein!«
»Mrs. Tibbet schickt mich. Sie
sollen zum Dinner kommen.«
»Woher weiß sie, daß ich zurück
bin?«
»Das weiß das ganze Fort!«
entgegnete Velvet vorwurfsvoll. »Es heißt, Sie wären mit dem Major
durchgebrannt.«
»Das ist nicht wahr!«
»Das macht nichts«, sagte Velvet
nüchtern. »Für die Leute hier im Fort sind Sie die Geliebte des Majors.«
Lily nahm den Wasserkessel und ging
in den Hof hinaus. Velvet folgte ihr. »Dann sind Sie wohl auch der Ansicht,
ich sollte Caleb heiraten«, sagte Lily ungehalten.
»Ja – falls er Sie noch haben will.«
Bevor Lily etwas darauf erwidern
konnte, kam Judd Ingram um die Hausecke und sprang über den Zaun. Er starrte
Velvet, die unwillkürlich einen Schritt zurückgetreten war, böse an.
»Du hältst dich wohl für sehr
schlau«, knurrte er.
»Verschwinde, Judd«, sagte Velvet
flach.
Er fuhr sich mit dem Rockärmel über
die verschwitzte Stirn. »Wenn die Tibbets dich nach Suds Row zurückschicken,
werde ich schon auf dich warten. Aber du wirst Mühe haben, meine gute Laune
wiederherzustellen.«
Lily hatte für heute genug von
männlichen Tyrannen und schüttete den vollen Wasserkessel über Ingram aus.
»Verlassen Sie sofort mein Grundstück!« herrschte sie ihn an. »Und wenn Sie
klug sind, lassen Sie auch Velvet in Ruhe.«
Judd machte einen Schritt auf Lily
zu, dann blieb er stehen, fluchte, und stürmte davon.
Lily spürte eine Hand auf ihrem Arm
und sah Velvet an ihrer Seite stehen. »Passen Sie auf mit Judd«, flüsterte ihre
Freundin. »Er nimmt es sehr übel, wenn man ihn so behandelt.«
Obwohl es Lily kalt über den Rücken
lief, setzte sie eine trotzige Miene auf. Sie würde schon mit Judd fertig
werden, falls es Ärger geben sollte.
Der Fotograf hatte seinen Wagen auf dem Exerzierplatz abgestellt
und baute nun seine Kamera auf. Obwohl er hinkte, haftete ihm etwas Flinkes
an, das Velvet so vertraut war, daß sie auf dem Rückweg zu den Tibbets
stehenblieb. Ihr Herz klopfte schneller, als sie das kupferbraune Haar des
Mannes sah.
Er sah ihrem Hank so täuschend
ähnlich.
Velvet wollte den geliebten Namen
rufen, um zu sehen, ob der Mann sich umdrehte, aber ihre Kehle war wie
zugeschnürt. Sie war zu keiner Bewegung fähig.
Hank,
dachte sie.
Als hätte sie es laut gesagt, drehte
der Mann sich um. »Velvet?« fragte er erstaunt und ging langsam auf sie zu.
Allmächtiger! dachte Velvet. Nach all diesen
Jahren, unter all diesen Menschen, hatte Hank sie gefunden!
Scham erfaßte sie; sie
Weitere Kostenlose Bücher