Lily und der Major
noch bevor er sie zum Tisch stieß, eine Lampe
anzündete und Lily gefesselt und geknebelt hatte.
»Versuch ruhig zu entkommen«, sagte
Judd Ingram. »Das macht es nur noch schöner.«
Lily war zutiefst entsetzt, aber da
sie sich ihre Angst nicht anmerken lassen wollte, maß sie Ingram mit einem
verächtlichen Blick.
Er kam um den Tisch herum und legte
eine Hand unter ihr Kinn. »Was für ein hübsches Ding du bist! Ich wette, du
stöhnst und schreist, wenn der Major dich liebt. Nun, heute abend werde ich
derjenige sein, der dir gibt, was du brauchst.«
Wäre der Knebel in ihrem Mund nicht
gewesen, hätte Lily Judd ins Gesicht gespuckt. Aber so mußte sie sich auf einen
wütenden Blick beschränken.
Judd schlenderte zum Bett und schlug
die Decke zurück. Während er damit beschäftigt war, schaute Lily sich
verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit um. Aber sie begriff sehr schnell, daß
ihre einzige Chance darin lag, für eine Ablenkung zu sorgen.
Mit der Schulter stieß sie die
Petroleumlampe um. Der Glaszylinder zerschellte klirrend, eine helle Flamme
züngelte über den Tisch.
Fluchend schnappte Judd sich eine
Decke und begann auf die Flammen einzuschlagen. Aber es war zu spät, zuviel
Brennstoff war vergossen worden. Innerhalb von Sekunden fing auch die Decke
Feuer.
Lily rannte zur Tür und warf sich
dagegen. Aber sie war verriegelt, und den Riegel mit gefesselten Händen
zurückschieben, war nicht leicht. Als Lily schon
glaubte, es geschafft zu haben und dem Inferno zu entkommen, packte Judd sie an
den Haaren und stieß sie in den brennenden Raum zurück.
Trotz des Knebels schrie Lily
gellend auf. Das Feuer umgab sie von allen Seiten, seine Hitze versengte ihre
Haut, und kleine Flammen fraßen sich gierig an ihrem Rocksaum hoch. Mit letzter
Kraft rappelte Lily sich auf und stürzte zur nun offenen Tür hinaus. Draußen
warf sie sich ins Gras und rollte sich so lange herum, bis das Feuer an ihren
Kleidern erloschen war.
Der Schulmeister, ein kleiner Mann
mit schütterem blonden Haar und freundlichen grauen Augen, erreichte sie als
erster. Lily weinte, als er ihren Knebel und die Fesseln löste.
»Um Himmels willen – was ist
passiert?« fragte er bestürzt.
Als Lily die Flammen sah, die aus
den Fenstern ihre Hauses schlugen, rannte sie entsetzt zurück, ohne den Lehrer
zu beachten. Alles, was Lily besaß, war in Gefahr, in den Flammen zu
verbrennen – ihre Kleider, die Besitzurkunde ihres Lands, die Adresse ihrer
Mutter ...
Vom beißenden Rauch geblendet, fand
Lily wie durch ein Wunder ihre Reisetasche. Es befanden sich zwar keine Kleider
darin, aber wenigstens konnte sie ihre Besitzurkunde und einige andere
persönliche Dinge retten, die sie in der Tasche aufbewahrte.
Auf den Stufen stieß sie mit
Corporal Pierce zusammen. Er legte seinen Arm um ihre Schultern und führte Lily
von ihrem brennenden Haus fort. Sie hörte noch das Läuten einer Feuerglocke,
dann verlor sie das Bewußtsein.
Als sie wieder zu sich kam, war
Caleb bei ihr. Ein halbes Dutzend Soldaten mühten sich ab, das Feuer
einzudämmen. Lilys Häuschen brannte nun lichterloh und war ganz offensichtlich
nicht mehr zu retten.
»O Caleb«, flüsterte Lily, »mein
Geschäft ... meine Kleider ...«
Sein Gesicht war wie zu Stein
erstarrt. Wortlos hob er Lily auf und trug sie fort. »Was ist passiert?« fragte
er rauh.
»Wohin bringst du mich?« entgegnete
sie, um Zeit für ihre Antwort zu gewinnen.
Caleb überquerte die Straße und ging
auf die Häuser zu, in denen die Offiziere lebten. Vor einem blieb er stehen,
stieß das Gartentor auf und ging zum Eingang weiter.
»Caleb!« sagte Lily, von bösen
Vorahnungen erfaßt.
Doch Caleb schwieg, bis sie den
Salon erreichten, wo er sie auf einen Sessel setzte. Er selbst ging zum Kamin
und starrte in die kalte Asche. »Was hat das Feuer ausgelöst?« fragte er dann
ruhig.
Lily wußte nicht, wie sie ihre
Antwort formulieren sollte, um zu verhindern, daß Caleb etwas Unüberlegtes tat,
was seine Karriere ruinieren konnte. »Als du fortgingst ... war ein Mann im
Haus«, begann sie stockend. »Er fesselte mich ... und steckte mir einen Knebel
in den Mund.«
Caleb drehte sich entgeistert um. »Was?«
Lily befeuchtete ihre Lippen. »Dann
stieß ich eine Lampe um, und er erschrak so sehr, daß er die Flucht ergriff.«
Calebs Blick glitt über Lilys
versengtes Haar und ihr verbranntes, rußgeschwärztes Kleid. »Mein Gott!«
Sie ging zu ihm und sagte bittend:
»Mir ist nichts passiert,
Weitere Kostenlose Bücher