Lily und der Major
den Kopf.
Jetzt, wo Caleb aus ihrem Leben verschwunden war, würde sie nicht mehr
in eine solche Falle tappen. Sie würde keinem Mann gehören!
Fünf Minuten später ratterte Hanks
großer Planwagen über die Felder. Lily hoffte, daß sie bald zurückkamen.
Kurz darauf brachen auch die
Soldaten auf, und Lily war zum ersten Mal ganz allein auf ihrem Land. Mit
sorgenvoller Miene holte sie das Gewehr und trug es aus dem Haus.
Nachdem sie eine Patrone in die
Kammer geschoben hatte, entfernte sie sich vom Haus und von Dancer, der in der
Nähe angebunden war, zielte und betätigte den Abzug. Eine ohrenbetäubende
Explosion erfolgte, und Lily wurde rückwärts auf den Boden geschleudert. Der
Gewehrkolben traf sie im Fallen hart in den Bauch.
Ja, diese Waffe war zweifellos etwas
ganz anderes, als das Kleinkalibergewehr, mit dem sie Schneehühner geschossen
hatte! »Verdammt!« rief Lily und rappelte sich mühsam auf. Dancer wieherte
ängstlich und zerrte an dem Pfosten, an dem er angebunden war.
Lily beschloß, ihre Schießübungen
auf einen anderen Tag zu verschieben, und trug die Waffe hinein. Als sie
Brennholz holte, um ein Feuer im Herd anzuzünden, wurde sie an Wilburs Kuß
erinnert und errötete vor Scham.
Mit einem Seufzer der Verzweiflung
setzte sie sich an den Tisch und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Obwohl sie
nicht das Verlangen verspürt hatte, mit Wilbur zu schlafen, hatte sie auch
keinen Abscheu vor seinem Kuß empfunden. Ganz im Gegenteil – ihr war ganz warm
dabei geworden, und sie hatte ein vertrautes Flattern in ihrem Bauch verspürt.
Lily fragte sich, wie sie in einem
Monat oder in einem Jahr auf einen solchen Kuß reagieren mochte – wenn Caleb nicht
mehr da war, um die seltsame Spannung zu lindern, die sie so häufig quälte.
Würde sie dann anfangen zu trinken, wie ihre Mutter, und andere Männer in ihrem
Bett willkommen heißen?
Ganz unbewußt legte Lily die Hand
auf ihren Bauch. Falls sie tatsächlich ein Kind unter dem Herzen trug, würde es
ihr irgendwann im Wege stehen und würde sie es fortschicken, wie ihre Mutter es
mit ihr, Emma und Caroline getan hatte?
»Nein!« Lily stöhnte laut auf.
»Nein!«
Um diese Gedanken aus ihrem
Bewußtsein zu verdrängen, stand sie auf und begann, die offenen Fensterhöhlen
mit Brettern zu vernageln, damit es nachts nicht zu kalt in ihrer Hütte wurde.
Als das erledigt war, bereitete sie Rühreier zu, die sie mit einem Stückchen
gesalzenem Schweinefleisch verspeiste.
Später holte sie die Laken, Decken
und Kissen, die sie sich von Caleb ausgeliehen hatte, und wollte ihr Bett
beziehen. Aber die Matratze war in der Mitte ziemlich ausgelegen, und so drehte
Lily sie um, obwohl es sie einige Anstrengung kostete.
Die andere Seite war mit Flecken
übersät.
Naserümpfend drehte Lily die
Matratze von neuem um und bezog sie mit den gestärkten Leinentüchern und den
schweren warmen Decken. Bis ihre eigenen Sachen eintrafen, konnte sie sich
nicht leisten, wählerisch zu sein.
17
Das war doch nicht möglich ...
Caleb hob müde die rechte Hand, und
die Kompanie hinter ihm zügelte gehorsam ihre Pferde.
»Was zum Teufel ...?« murmelte
Sergeant Fortner, der hinter Caleb ritt, und deutete auf die Rauchwolke, die in
einiger Entfernung vor ihnen aufstieg. »Indianer?«
»Eher Siedler«, erwiderte Caleb
kopfschüttelnd. Was würde Lily sagen, wenn sie hörte, daß sich Siedler auf
ihrem Land eingerichtet hatten? »Kommen Sie, wir sehen uns an, was dort los
ist.«
Calebs Männer waren müde, erschöpft
und wund vom Reiten, aber keiner wagte zu protestieren, als ihr Major vom
direk ten Weg nach Fort Deveraux abwich. Judd Ingram, der in seiner Zelle
schwitzte, war noch nicht vergessen, und keiner der Männer war willens, den
Major zu verärgern.
Caleb lächelte grimmig, als ihm das
bewußt wurde, und trieb seinen Wallach zu einem Galopp an. Auch er wollte so
schnell wie möglich ins Fort zurück. Es verlangte ihn nach einem heißen Bad,
nach einem Steak und Lily – in dieser Reihenfolge.
Die vertraute Erregung, die der
Gedanke an sie auslöste, ließ ihn seine Position im Sattel ändern. Diesmal
würde er nicht aufhören, sie zu lieben, bis sie ihn anflehte, sie zu heiraten.
Bis sie endlich zugab, daß sie an seine Seite gehörte ...
Lilys Bauholz und ihre Vorräte waren zwei Tage zuvor angekommen,
und dank des eifrigen Einsatzes von Wilbur und seinen Freunden machte ihr
neues Haus große Fortschritte. Der Rahmen stand, der Boden war gelegt, und
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