LIMIT - reich, gewissenlos, tot
über ein Schneefeld zerrte, auf einen Kiefernhain zu. Hailey sah Cobbs erwartungsfrohe Miene im Mondlicht. Offenbar waren sie ihrem Ziel ganz nah. Mit jedem Schritt fühlte sie sich entbehrlicher.
Dann hörte sie das bedrohliche Grollen der Lawine.
Unterdessen hatte die Lawine Cheyenne O’Neil erreicht, erfasste das Heck ihres Motorschlittens und schleuderte das Fahrzeug um hundertachtzig Grad herum. Eine Sekunde lang hatte Cheyenne den Tod vor Augen. Doch dann ließ die Lawine sie frei und brach an ihr vorbei den Hang hinunter in Richtung Klamm. Cheyenne, die jetzt wieder die Felsnadeln im Blick hatte, musste sich kurz von dem Schrecken erholen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Zitternd wie eine Fahne in steifer Brise sah sie, wie das Schneebrett weiter unten, wo sie Hennessy zuletzt gesehen hatte, unter lautem Tosen in eine Schlucht rauschte.
Als die Schneemassen allmählich zur Ruhe kamen, wurde das Knattern eines Hubschraubers laut, der über dem Wolverine Pass im Aufsteigen begriffen war.
Zwei von denen sind entkommen. Das sollte Kane erfahren
.
Cobb blieb stehen, als er die Lawine kommen hörte. Truth ebenso. Hailey spähte durch das fahle Licht und sah, wie westlich von ihnen das Schneebrett über eine Felskante brach. Hailey schätzte es auf dreißig Meter, wie ein Schnee-Tsunami. Da schoss ihr jäh der entsetzliche Gedanke in den Kopf, die Lawine könnte ihren Vater verschlucken.
»Daddy!«, brüllte sie und brach in Tränen aus. »Daddy!«
Hennessy spürte den Luftzug, den die Lawine erzeugte, als sie über seine Skienden hinwegfegte. Er hörte sie über den Abgrund rauschen und mit Getöse in der Schlucht landen. Nachdem sie abgegangen war, blieb eine Wolke aus feinem Schneestaub in der Luft. Trotz Nachtsichtbrille war sein Blickfeld stark eingeschränkt, und er betete darum, nicht in den Abgrund zu rutschen. Da machte er im einheitlichen Grün ringsumher die Silhouette eines Baums aus und brachte die Skier sofort zum Stehen. Allmählich legte sich die Unruhe, die der Schneerutsch ausgelöst hatte. Er horchte in die Dunkelheit, sah die Umrisse der Bäume. Er war genau an der richtigen Stelle.
»Daddy!«, hörte er Hailey schreien. Sie war ganz in der Nähe. »Daddy!« Sie weinte.
Hennessy bückte sich, um die Bindungen zu öffnen. Er stieg aus den Skiern und versank bis zur Hüfte im Schnee. Er spähte zwischen die Bäume, versuchte die Männer auszumachen, die seine Tochter entführt hatten.
»Haha«, hörte er Cobb lachen. »Wer, meinst du, hat denn die Lawine losgetreten? Er ist über den Jordan, dein Daddy!«
»Nein!«, schrie sie. »Nein! Daddy!«
Hennessy streifte jegliche Empfindung ab. Im Geiste sah er seine Tochter aus der Sicht eines professionellen Leibwächters, als einen wertvollen Gegenstand, der um jeden Preis beschützt werden musste. Er schlich nach rechts, durch die schneebehangenen Bäume auf die Stelle zuhaltend, wo er den Rand der Schlucht vermutete und wo das Felsplateau über die Klamm ragte.
Das Knattern der Rotoren war mittlerweile ganz nah.
»Siehst du?«, hörte er Truth sagen. »Der General steht zu seinem Wort. Ein Ehrenmann.«
»Bald sind wir reich«, sagte Cobb, und seine Stimme klang triumphierend. »Steinreich!«
Im selben Moment machte Hennessy die Männer aus, besser gesagt Hailey, die sich in etwa zwanzig Metern Entfernung in seine Richtung bewegte. Zuerst hatte er Mühe, Cobb und Truth in ihrer Tarnkleidung auszumachen, doch schließlich gelang es ihm. Truth ging voran. Cobb, der Hailey vor sich herstieß, folgte ihm, ohne mehr nach Gegnern Ausschau zu halten.
Er ist in Gedanken schon einen Schritt voraus, vermutete Hennessy, wähnt sich schon in Sicherheit. Zählt schon sein Geld.
Hennessy wartete, bis die Männer an ihm vorbei waren, und legte seine Maschinenpistole in den Schnee. So ging er nicht das Risiko ein, Hailey zu treffen. Er würde die beiden mit bloßen Händen erledigen. Er schlich auf die Gruppe zu, schlängelte sich zwischen den Bäumen hindurch, als wären es Slalomstangen, und beschleunigte seine Schritte, wenn er sie nicht mehr sah. Vor ihm lichtete sich der Wald, und dann entdeckte er den Felsvorsprung über dem schwarzen Rachen der Schlucht. Hennessy pirschte sich vorsichtig von hinten an Cobb heran.
Truth erreichte die Felsnase, als der Helikopter über die Schlucht flog. Hennessy wartete eine Sekunde, dann griff er an. Da streifte sein Arm einen Kiefernzweig. Das leise Schneerieseln reichte, um den Geiselnehmer zu
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