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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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selber zu begegnen hoffte, als Starman, Ziggy Stardust, Aladdin Sane, Major Tom. – Und dann, eines Tages, heiratest du eine wunderschöne Frau, ziehst nach New York, und plötzlich stellst du fest: Da draußen ist gar nichts, und auf der Erde ist alles. Du triffst Leute, unterhältst dich, kommunizierst, und was dir früher schwerfiel, geht mit wunderbarer Leichtigkeit vonstatten. Deine aufgeblasenen Ängste schrumpfen zu stinknormalen Sorgen, der frühe Flirt mit dem Tod, das Pathos des Rock'n'Roll Suicide entpuppt sich als nicht sonderlich originelle Laune eines rat- und erfahrungslosen Jugendlichen, du wachst nicht mehr mit der Befürchtung auf, verrückt zu werden, denkst nicht mehr unentwegt über das Elend der menschlichen Existenz nach, sondern über die Zukunft deiner Kinder. Und du fragst dich, was zum Teufel du eigentlich im Weltraum wolltest! – Verstehst du? Ich bin gelandet. Noch nie hat es mir so viel Spaß gemacht, auf der Erde zu leben, unter Menschen. Bei guter Gesundheit kann ich das noch ein paar Jahre genießen. Schlimm genug, dass es nur noch zehn oder zwölf sein werden und keine 300 mehr, also freue ich mich auf jeden Augenblick. Nenn mir bitte einen einzigen Grund, warum ich jetzt, da ich endlich da unten, zu Hause, angekommen bin, zum Mond fliegen soll.«
    Julian dachte darüber nach. Ihm fielen tausend Gründe ein, warum er zum Mond fliegen wollte, aber plötzlich kein einziger mehr, der für den alten Mann ihm gegenüber Relevanz gehabt hätte. Dabei sah Bowie alles andere als alt aus, eher, als sei er kürzlich neu geboren worden. Seine Augen schauten wissbegierig wie eh und je, aber es war nicht der Blick eines außerirdischen Beobachters, sondern der eines Erdenbewohners.
    Das unterscheidet uns, dachte er. Ich war immer höchst irdisch. Immer an vorderster Front, der große Kommunikator, unerschüttert von Ängsten und Selbstzweifeln. Und dann dachte er, wie es wohl wäre, sollte er eines Tages zu dem Schluss gelangen, dass diese Weltraumoper, deren Intendant und Protagonist er war, nur dem einen Zweck gedient hatte, ihn der Erde näher zu bringen, und ob ihm diese Erkenntnis gefallen würde.
    Oder war er doch nur ein egozentrisches Alien, das nicht mal verstand, was in seinen eigenen Kindern vorging. Wie hatte Tim es noch formuliert?
    Mann, du bist so was von abgehoben!
    Julian verzog das Gesicht. Dann lachte auch er, ohne rechtes Vergnügen, hob seine Flasche und prostete Bowie zu.
    »Cheerio, alter Freund«, sagte er.
     
    Kurz danach öffnete Amber die Augen und sah, dass die Erde verschwunden war. Angst durchfuhr sie. In der vergangenen Nacht hatte sie durchgeschlafen, und am Morgen war sie dort gewesen, zur Hälfte jedenfalls. Doch gerade sah sie nicht das Geringste von ihr.
    Natürlich nicht. Die Nacht lag über der pazifischen Hälfte, und Lichter der Zivilisation ließen sich aus geostationärer Höhe nicht mehr wahrnehmen. Kein Grund zur Beunruhigung.
    Sie wandte den Kopf. Neben ihr starrte Tim in die Dunkelheit.
    »Was ist los, mein Held?«, flüsterte sie. »Kannst du nicht schlafen?«
    »Hab ich dich geweckt?«
    »Nein, bin von selber wach geworden.« Sie robbte näher an ihn heran und legte den Kopf auf seine Schulter.
    »Es war schön mit dir«, sagte er leise.
    »Oh, es war schön mit dir. Machst du dir Sorgen?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht hat Julian ja recht. Vielleicht sehe ich Gespenster.«
    »Nein, glaube ich nicht«, sagte sie nach einer Weile. »Es ist gut, dass du die Augen offen hältst. Nur, wenn du ihn weiter wie einen Feind behandelst, wird er sich auch wie einer verhalten.«
    »Ich behandele ihn nicht als Feind.«
    »Du bist aber auch nicht gerade ein Weltmeister in Diplomatie.«
    »Nein.« Er lachte leise. »Ich weiß auch nicht, Amber. Ich hab irgendwie ein ungutes Gefühl.«
    »Das ist die Schwerelosigkeit«, murmelte sie, beinahe schon wieder eingeschlafen. »Was soll denn passieren?«
    Tim schwieg. Sie blinzelte, hob den Kopf und sah, dass sie sich vorhin geirrt hatte. Am rechten Rand war eine schmale, bläulichweiße Sichel zu sehen. Alles war gut. Die Erde war noch an ihrem Platz.
    Schlaf ein, mein Schatz, wollte sie sagen, doch die Müdigkeit legte sich mit solcher Macht über sie, dass sie es eben noch denken konnte. Bevor sie wegdämmerte, überkam sie die Vorstellung eines schwarzen Tuchs, das sich über sie beide breitete. Dann war nichts mehr.
     
    Carl Hanna fand keinen Schlaf, und er brauchte auch keinen. Nacheinander ließ er die

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