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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Gesinnungswandel hatte er natürlich nicht auslösen wollen, aber da überschätzt er sich. Die Vorstellung gärt schon lange in mir. Er hat mich lediglich bestärkt.«
    Bowie schwieg eine Weile.
    »Dir ist klar, dass du mit dem Feuer spielst«, sagte er.
    »Mit Sonnenfeuer«, sagte Julian gleichmütig. »Mit Reaktorfeuer. Ich bin Feuer gewohnt.«
    »Wissen deine amerikanischen Freunde von deinen Plänen?«
    »Sie dürften einiges ahnen. Ist ja kein Geheimnis, mit wem ich alles zum Mond gondele.«
    »Du verstehst es, dir Feinde zu machen.«
    »Ich verreise, mit wem ich will. Es ist mein Lift, meine Raumstation, mein Hotel da oben. Natürlich sind sie alles andere als glücklich. Egal. Sollen sie mir halt bessere Angebote unterbreiten und ihre Kontrollspielchen lassen.« Julian saugte geräuschvoll an seiner Flasche und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Leckeres Zeug, findest du nicht? Auf dem Mond haben wir Wein mit Alkoholersatz. Total verrückt! 1,8 Prozent, schmeckt aber nach voller Dröhnung. Bist du sicher, dass du dir das entgehen lassen willst?«
    »Du lässt nicht locker, was?« Bowie lachte erneut.
    »Nie«, grinste Julian.
    »Aber du kommst zu spät. Versteh mich nicht falsch, ich liebe das Leben, es ist eindeutig zu kurz, alles richtig. 300 Jahre wären wunderbar, gerade in dieser Zeit! Aber ich bin – nun ja –«
    »– schließlich dann doch vom Außerirdischen zum Erdling geworden«, ergänzte Julian lächelnd.
    »Ich war nie etwas anderes.«
    »Du warst der Mann, der vom Himmel fiel.«
    »Nein. Nur einer, der seiner Kontaktschwierigkeiten in Verkleidungen Herr zu werden suchte, nach dem Motto, tut mir leid, wenn's mit der Kommunikation nicht klappt, ich komme vom Mars.« Bowie fuhr sich durchs Haar. »Weißt du, ich habe mein Leben lang mit Begeisterung aufgesaugt, woran die Welt sich entzündete, was sie elektrisierte, habe Moden und Befindlichkeiten gesammelt wie andere Leute Kunst oder Briefmarken. Nenn es Eklektizismus, darin lag vielleicht mein größtes Talent. Ich war nie wirklich ein Innovator, eher ein Sachverwalter der Gegenwart, ein Baumeister, der Lebensgefühle und Trends auf eine Weise zusammenfügte, dass die Illusion von etwas Neuem entstand. Rückblickend würde ich sagen, das war meine Art zu kommunizieren: Hey, Leute, ich verstehe, was euch bewegt, schaut und hört her, ich habe einen Song daraus gemacht! Etwa so. Aber ich konnte lange Zeit mit niemandem darüber reden. Ich wusste einfach nicht, wie man das macht, wie eine simple Unterhaltung funktioniert. Ich hatte Angst, Beziehungen einzugehen, war unfähig, anderen zuzuhören. Für so jemanden ist die Bühne, oder sagen wir, der Planet Kunst, die perfekte Plattform, in idealer Weise geeignet zum Monologisieren. Du erreichst jeden, niemand erreicht dich. Du bist der Messias! Ein Popanz natürlich, ein Götzenbild, aber schon darum kannst du niemanden an dich ranlassen, weil dann ja rauskäme, dass du in Wirklichkeit einfach nur schüchtern und unsicher bist. Und so wirst du mit der Zeit tatsächlich zum Außerirdischen. Du musst dir nicht mal ein Kostüm dafür anziehen, aber es hilft natürlich ungemein. Wenn du dich so unwohl mit Menschen fühlst wie ich damals, stilisierst du halt den Weltraum zu deiner Heimat, suchst Antworten bei höheren Wesen oder tust so, als wärst du selber eines.«
    Julian tippte seine Flasche an, ließ sie ein Stück aufsteigen und fing sie wieder ein.
    »Du klingst fürchterlich erwachsen«, sagte er.
    »Ich bin fürchterlich erwachsen«, lachte Bowie, strotzend vor guter Laune. »Und es ist großartig! Glaub mir, diese ganze spirituelle Schnitzeljagd, um herauszufinden, was den Menschen mit dem Universum verbindet, warum wir geboren werden und wohin wir gehen, wenn wir sterben, was uns und unserem Tun Bedeutung verleiht, wenn es denn eine Bedeutung hat – ich meine, ich liebe Science-Fiction, Julian, ich liebe, was du geschaffen hast! Aber all dieses Weltraumzeugs war immer nur eine Metapher für mich. Es ging immer nur um die spirituelle Suche. Die Landkarten der Kirchen waren mir dafür zu grob gezeichnet, voller Einbahnstraßen und Sackgassen. Ich wollte mir nicht vorschreiben lassen, wie und wo ich zu suchen habe. Du kannst Gott ritualisieren oder interpretieren. Letzteres geht nicht auf vorgezeichneten Wegen, es erfordert, sich in die Büsche zu schlagen. Das habe ich getan und mir immer neue Raumanzüge geschaffen, um diesen leeren, unendlichen Kosmos zu erkunden, in dem ich mir

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