Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
gespeichert. Du kannst mit ihr durch die Clubs ziehen, wenn du willst, den Jin Mao Tower und das World Financial Center besuchen, durch die Yu-Gärten streifen oder ins MOCA Shanghai gehen.« Er grinste. »Du wirst Spaß mit ihr haben. Sie hat ihre Texte selbst geschrieben. Auf dem Stick findest du außerdem ihre Personalakte, Aufzeichnungen von Gesprächen, Fotos und Filme. Mehr habe ich nicht.«
    »Hübsch.« Jericho drehte den Stick zwischen den Fingern und betrachtete die Brille. »Eine Holo-Brille hab ich selber.«
    »So eine nicht. Wir hatten fest damit gerechnet, dass die üblichen Verdächtigen seine Entwicklung ausspionieren würden. Aber du scheinst sie mit deiner letzten Aktion in die Flucht geschlagen zu haben. Dao it reibt sich immer noch die blauen Flecken.«
    Jericho schmunzelte. Dao it , Tus früherer Arbeitgeber, war wenig begeistert gewesen, seinen Entwicklungsvorstand für Virtual Environments in die Selbstständigkeit zu verlieren. Seitdem war der Konzern mehrfach ins System von Tu Technologies eingebrochen, um Betriebsgeheimnisse herunterzuladen. Jedes Mal hatten die Hacker ihre Spuren gekonnt verwischt, sodass Jericho all seine Kunst hatte aufbieten müssen, um sie zu überführen. Tu war mit den Beweisen vor Gericht gezogen, und Dao it hatte Bußgelder in Millionenhöhe bezahlen müssen.
    »Sie haben mir übrigens ein Angebot gemacht«, sagte er wie nebenbei.
    »Wer?« Tu saß plötzlich kerzengerade. »Dao?«
    »Ja, weißt du, sie waren beeindruckt. Sie meinten, wenn ich es schaffe, ihnen auf die Spur zu kommen, wäre es gut, mich auf ihrer Seite zu wissen.«
    Der Manager schob sein Brillenkonstrukt nach oben. Er schmatzte ein paar Mal vernehmlich und räusperte sich.
    »Kein Schamgefühl, was?«
    »Ich habe natürlich abgelehnt«, sagte Jericho gedehnt. Loyalität war ein kostbares Gut. »Ich dachte nur, es interessiert dich.«
    »Natürlich interessiert es mich.« Tu grinste. Dann lachte er und schlug Jericho auf die Schulter. »Dann an die Arbeit – xiongdi.«
     

WORLD FINANCIAL CENTER
     
    Grand Cherokee Wang bewegte sich zu einem unhörbaren Beat. Sein Kopf nickte mit jedem Schritt wie zur Bestätigung seiner eigenen Coolness. Mit federnden Knien, imaginäre Instrumente bespielend, tänzelte er den gläsernen Korridor entlang, schnalzte vernehmlich mit der Zunge, gestattete sich die Andeutung eines Hüftschwungs und bleckte die Zähne. Oh, wie er sich liebte! Grand Cherokee Wang, der Herr der Welt. Bevorzugt hielt er sich nachts hier auf, wenn er sich in der gläsernen Fläche spiegeln konnte, durch die man das Lichtermeer Shanghais erblickte, sodass es schien, als rage er leibhaftig daraus empor, ein Gigant! Kein Schaufenster auf der Nanjing Donglu, in dem er sich zu huldigen vergaß, seinem gut geschnittenen Gesicht mit den Goldapplikationen auf Stirn und Wangenknochen, dem schulterlangen, blauschwarzen Haar, dem weißen Lackmantel, für den es um diese Jahreszeit eigentlich zu warm war, aber egal. Wang und reflektierende Flächen, sie waren füreinander gemacht.
    Er war ganz oben.
    Zumindest arbeitete er ganz oben, im 97. Stockwerk des World Financial Centers, da Wangs Eltern die Finanzierung seines Studiums von seiner Bereitschaft abhängig gemacht hatten, Selbstverdientes beizusteuern. Und das tat er. Mit solcher Hingabe, dass sein Vater ernsthaft zu mutmaßen begann, sein ansonsten wenig erqicklicher Sprössling liebe die Arbeit als solche. Tatsächlich verdankte es sich den besonderen Umständen eben dieser Arbeit, dass Grand Cherokee Wang mittlerweile mehr Zeit im World Financial Center zubrachte als im Hörsaal, wo seine Anwesenheit eher erforderlich gewesen wäre. Andererseits stand außer Frage, dass es für einen angehenden Ingenieur der Elektrotechnik und des Maschinenbaus kaum einen besseren Anschauungsunterricht geben konnte als das 97. Stockwerk des World Financial Centers.
    Seiner Großmutter, die Anfang des Jahrtausends und damit vor der Fertigstellung des Gebäudes erblindet war, hatte Wang die Sache so zu schildern versucht:
    »An den Jin Mao Tower kannst du dich erinnern?«
    »Natürlich, ich bin ja nicht blöde. Ich bin vielleicht blind, aber ich erinnere mich an alles ganz genau!«
    »Dann stell dir den Flaschenöffner gleich dahinter vor. Du weißt ja, dass man ihn Flaschenöffner nennt, weil –«
    »Ich weiß nur, dass man ihn so nennt.«
    »Weißt du denn auch, warum?«
    »Nein. Aber ich werde kaum verhindern können, dass du's mir erzählst.«
    Wangs

Weitere Kostenlose Bücher