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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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der Computer komponiert das halbe Zeug.«
    »Computer gab's immer schon.«
    »Aber nicht als Komponisten. Ich sage dir, die Stars von übermorgen sind Maschinen.«
    »Quatsch. Hat man vor 25 Jahren auch behauptet. Und was kam? Singer-Songwriting. Handgemachte Musik stirbt nicht aus.«
    »Na ja. Vielleicht sind wir ja einfach zu alt. – Gute Nacht.«
    »Nacht, Finn.«
    Hanna überquerte die Brücke zu seiner Suite und trat ein. Im. Verlauf des Abends war er artig den Tischgesprächen gefolgt, ohne sich in komplexe Erörterungen einzumischen. Eine Weile hatte er versucht, Eva Borelius' Leidenschaft für Pferde zu teilen, und sie schließlich auf das Terrain der Musik gelenkt, nur um sich im Sumpfland deutscher Romantik wiederzufinden, von der er erst recht nichts verstand. O'Keefe rettete ihn mit Betrachtungen über den komatösen Zustand des Britpop Ende der Neunziger, über Mando-Prog und Psychabilly, genau das Richtige, wenn man im Kopf woanders war, und Hanna war ganz woanders. Alle würden bald schlafen gehen, so viel stand fest. Im Raumschiff hatte man sie darauf vorbereitet, dass die Tage in der Schwerelosigkeit, die Strapazen der Landung, die körperliche Umstellung und die Flut neuer Eindrücke ihren Tribut fordern würden. In Höhe des Bettes war der Schlafraum durch eine Schicht Mondbeton geschützt, sodass in spätestens einer Stunde niemand mehr einen Blick nach draußen tun würde, und das Personal wohnte eh im Untergrund.
    Also warten.
    Er legte sich auf die lächerlich dünne Matratze, die gleichwohl ausreichte, um seine hiesigen 16 Kilo Körpergewicht angenehm abzufedern, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und schloss für einen Moment die Augen. Wenn er hier liegen blieb, würde er einschlafen, außerdem hatte er noch genug zu tun, bevor er aufbrach. Leise pfeifend ging er zurück in den Wohnraum und streifte das Futteral von der Gitarre. Seine Finger schlugen einen kurzen Flamenco, dann drehte er das Instrument auf den Knien um, betastete die Ränder, drückte hierhin und dorthin, zog den Halteknopf für den Tragegurt heraus und hob den kompletten Boden ab.
    Eine dünne, in Form des Corpus gehaltene Platte war darauf befestigt, holzfarben und mit einem Netz haarfeiner Linien bedeckt. Orleys Sicherheitsdienst hatte sein Gepäck nicht untersucht, wie es bei regulären Touristen der Fall gewesen wäre, sondern nur einige höfliche Fragen gestellt. Schon gar nicht hatte jemand bezweifelt, dass seine Gitarre eine Gitarre war. Julians Gäste waren über jeden Verdacht erhaben, dennoch hatte die Organisation keinerlei Risiko eingehen wollen, sodass eine Durchleuchtung lediglich ergeben hätte, dass dieses Instrument über einen dickeren Boden verfügte als üblich. Und auch das wäre nur einem Experten aufgefallen, der deswegen immer noch nicht gewusst hätte, dass es sich um zwei übereinanderliegende Böden handelte und der innere aus einem speziellen, extrem widerstandsfähigen Kunststoff bestand.
    Mit beiden Daumen begann er, Teile aus der Platte zu drücken. Sie lösten sich mit leisem Knacken und fielen zu Boden, wo sie wie Komponenten eines Intelligenztests herumlagen. Als Nächstes löste er den Gitarrenhals vom Rumpf und ließ eine 40 Zentimeter lange Röhre herausgleiten, die er in zwei gleich lange Abschnitte zerlegte, wobei eine Vielzahl kleinerer Röhrchen zutage trat und sich über den Fußboden verteilte. Hanna schob sie auf einen Haufen zusammen, öffnete seinen Koffer und leerte den Inhalt des Kulturbeutels vor sich aus. Duschgel, Shampoo und die knetbaren Ohrenstöpsel platzierte er in Griffweite, zog die Kappe von einer der beiden Tuben mit Feuchtigkeitscreme, drückte einen wasserklaren Strang des Inhalts auf eines der Bauteile und presste ein anderes rechtwinklig dagegen. Augenblicklich gingen Creme und Kunststoff eine chemische Verbindung ein. Hanna wusste, dass er sich jetzt nicht den geringsten Fehler leisten durfte, da die Montage nicht rückgängig zu machen war. Er arbeitete konzentriert, ohne Eile, schraubte einen der Golfbälle auseinander, entnahm ihm winzige elektronische Komponenten, fügte weitere Teile zusammen und arbeitete sie mit ein. Nach wenigen Minuten hielt er eine flache Konstruktion in Händen, aus der ein Stück Rohr stach wie der Lauf einer Pistole, und nichts anderes war sie. Seltsam archaisch sah sie aus. Sie besaß einen Griff, allerdings einen Kippschalter anstelle des Abzugs. Aus den verbliebenen Elementen baute Hanna ein identisches Modell, unterzog

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