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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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war.
    Und plötzlich wusste Hanna auch, was.
    Sein Blick wanderte zu den hellen Gebirgskuppen. Er hatte keinerlei Zweifel, dass die Landeeinheit von vorneherein zu nahe am Kraterrand niedergegangen war. An sich nicht problematisch. Die Planer hatten Intoleranzen mit einkalkuliert, wozu auch gehörte, dass Gestell und Paket in den Krater stürzten. Die Mechanik sollte so lange geschützt bleiben, bis die Sensoren einen stabilen Stand oder eine sonst wie abgeschlossene Landung vermeldeten. Danach war vorgesehen, dass sich das Paket vom Untergestell löste, seine Gliedmaßen, sobald es still lag, entfaltete und sich davonmachte. Augenscheinlich war die Meldung auch erfolgt, nur dass im Moment der Entfaltung Teile des Hangs abgerutscht waren und das Gebilde mit sich gerissen hatten. Im Gesteinshagel waren die Extremitäten zertrümmert worden, und das Paket hatte seine Manövrierfähigkeit eingebüßt.
    Ein Beben?
    Möglich. Der Mond war längst kein so ruhiger Platz wie gedacht. Entgegen landläufiger Meinung kam es häufig zu Erdstößen. Spannungen, ausgelöst durch die enormen Temperaturschwankungen, entluden sich in heftigen Zuckungen, noch in großen Tiefen zerrten die Kräfte von Sonne und Erde am Mondgestein, weswegen die Bauweise des Gaia Erschütterungen von über 5 auf der Richterskala zu kompensieren vermochte. Einzig, um nichts unversucht zu lassen, machte sich Hanna an den lädierten Achsen und Düsen zu schaffen. Nach 20 Minuten des Biegens und Schweißens musste er einsehen, dass der Schaden nicht zu beheben war. Der Verlust der Spinnenbeine wäre zu verschmerzen gewesen, dass aber eine der Düsen teilweise abgerissen und eine andere gar nicht erst aufzufinden war, schuf unerfreuliche Tatsachen.
    Künstlerpech, dachte Hanna. Zuerst Thorns Unfall, und dann so was. All das hier wäre seine Aufgabe gewesen. Vor einem Jahr schon hätte er die Patenschaft über das Paket übernehmen sollen, doch Thorns Leichnam bereiste das Universum.
    In Erwartung weiterer unangenehmer Überraschungen entriegelte er die Verschlussklappen im Rücken, öffnete den Behälter und leuchtete ins Innere, doch da schien alles unversehrt zu sein. Hanna atmete auf. Die Fracht zu verlieren hätte das Ende bedeutet, alles andere war einfach nur lästig. Er nahm das Messgerät zur Hand und verifizierte die Schnittstellen. Intakt. Nichts hatte Schaden genommen.
    Vorsichtig förderte er den Inhalt zutage.
    Dann musste er das Paket eben selbst seinem Bestimmungsort zuführen. Auch gut. Die Fläche des Grasshoppers bot genug Platz. Kurz erwog er, seine Auftraggeber zu informieren, doch die Zeit lief ihm davon. Ohnehin gab es keine Alternative. Er musste handeln. Es empfahl sich, zurück im Hotel zu sein, bevor sich die anderen den Schlaf aus den Augen rieben.
    Es empfahl sich, nie weg gewesen zu sein.
     

27. MAI 2025
    [SPIELE]
    XINTIANDI, SHANGHAI, CHINA
     
    Jericho fand sich auf der Couch wieder, neben zwei Flaschen und einem Glas, in dem Reste von Rotwein antrockneten, sowie zwei aufgerissenen Tüten Mango-Chips. Vorübergehend wusste er nicht, wo er war. Er stemmte sich hoch, eine Prozedur, die erst im zweiten Anlauf gelang und die Frage aufbrachte, was der vollgesogene Schwamm in seinem Kopf zu suchen hatte. Dann erinnerte er sich seines Glücks. Zugleich machte sich das unbestimmte Empfinden eines Verlustes breit. Etwas fehlte, das über die Jahre die Vertrautheit von Herzschlägen angenommen hatte.
    Lärm.
    Nie wieder würde er vom Dröhnen heranwachsender Hochhäuser erwachen. Kein sechsspuriger Frühverkehr würde mehr durch seine Gehörgänge brausen, bevor die Sonne aufging. Ab heute residierte er in Xintiandi, wo zwar Horden von Touristen herumstrichen, mit denen sich jedoch prächtig auskommen ließ. Im Allgemeinen erschienen sie nicht vor zehn Uhr morgens und verzogen sich spätnachmittags verschwitzt und mit schmerzenden Füßen in ihre Hotels, um Kräfte für den abendlichen Restaurantbesuch zu sammeln. Abends bevölkerten vornehmlich Shanghaier die Bistros, Cafés und Clubs, Boutiquen und Kinos des Viertels. Von der einen wie der anderen Invasion bekam man in Jerichos neuem Domizil nicht viel mit. Das war der Vorzug eines Shikumen-Hauses. Draußen mochten Dinosaurier durch die Straßen getrieben werden, im Innern herrschten Frieden und Stille.
    Er rieb sich die Augen. Von Wohnen konnte noch nicht wirklich die Rede sein. Weiterhin verteilten sich unausgepackte Kisten über die Flucht des Lofts. Immerhin hatte er es so weit

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