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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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gebracht, das neue Media-Terminal zu installieren. Tus Kundendienst hatte es am Vorabend geliefert, repräsentiert durch zwei freundliche Helfer, die das Ding die Treppen hinaufgewuchtet und geschickt ins Ambiente integriert hatten, sodass man es nun übersah. Unmittelbar danach hatte Jericho zu seinem Überraschungsbesuch bei Yoyo aufbrechen müssen. Erst nach seiner Rückkehr war er dazu gekommen, das neue Spielzeug angemessen zu würdigen und bei dieser Gelegenheit seine erste Nacht in Xintiandi zu feiern. Ausgiebig, wie die beiden Flaschen bekundeten, in der Gesellschaft Animal Ma Lipings und geschundener Kinder in Käfigen. Er fragte sich, ob Joanna sich hier wohlgefühlt hätte und entschied, sich dieses Gedankenabenteuer nicht auch noch zuzumuten.
    Schön, wenn man sich selbst genug war.
    Er ging duschen und fuhr seine Systeme hoch. Am liebsten hätte er im Handstreich die restlichen Kisten ausgepackt, doch bewohnten seit gestern neben all den Gespenstern auch Tu Tian und Chen Hongbing seinen Hinterkopf und drängten auf Fortschritte bei der Suche nach Yoyo. Ergeben beschloss er, der Sache Vorrang einzuräumen. Er rasierte sich, wählte eine leichte Hose und ein Jackettshirt, lud eines der Programme, die Tu ihm gebrannt hatte, auf den Datenbügel seiner neuen Holobrille und verließ das Haus.
    Die nächste Stunde würde er in Yoyos Gesellschaft verbringen.
    Praktischerweise verlief eine der Führungen durch das französische Viertel, ein Kolonialrelikt aus dem 19. Jahrhundert. Es grenzte unmittelbar an Xintiandi, lediglich durch eine dreistöckige Stadtautobahn davon getrennt. Nachdem er sie unterquert hatte und wieder ins Sonnenlicht emporgestiegen war, ging er die geschäftige Fuxing Zhong Lu entlang und aktivierte die Spracherkennung des Programms.
    »Starten«, sagte er.
    Unmittelbar geschah gar nichts. Durch die transparente Fläche der Brille erschien die Welt in vertrauten Farben und Formen. Menschen schlichen, schlenderten oder hasteten umher. Geschäftsleute kommunizierten mit ihren Handys, überquerten, den Blick auf Displays gerichtet und drahtlose Empfänger im Ohr, die Straße und brachten das Kunststück fertig, nicht überfahren zu werden. Elegante Frauen betraten oder verließen plaudernd und telefonierend die umliegenden Edelboutiquen, weniger gut angezogene strömten in japanische und amerikanische Kaufhäuser. Gruppen von Touristen fotografierten, was immer sie für authentische Zeugen der Kolonialepoche hielten. Zwischen Kleinwagen, Mini-Vans und Limousinen drängten Dutzende identisch aussehender CODs, cars on demand, auf ihrem Weg zum Speedway, Elektroroller und Hybrid-Cruiser schlängelten sich durch Lücken, die sich schon schlossen, bevor sie sich richtig auf getan hatten. Fahrräder mit klappernden Schutzblechen lieferten sich Rennen mit futuristischen Antigrav-Skates. City-Busse und Transporter krochen durchs Gewühl, eine Formation Skymobile der Polizei zogen über die Fuxing Zhong Lu dahin, ein Stück weiter stieg ein Krankentransporter auf, drehte sich in der Luft und flog nach Westen. Blitzende Privatmaschinen und Sky-Bikes schossen, getragen vom Luftleitsystem, am Himmel entlang. Überall dröhnte, zischte und hupte es, erklang Musik, schmetterten Werbeslogans und Nachrichten aus den allgegenwärtigen Videowänden.
    Ein ruhiger Tag in einem beschaulichen Viertel.
    Das Doppel-T von Tu Technologies erschien vor Jerichos Augen. Die Projektionstechnik des Systems erzeugte auf der Netzhaut die Illusion, das Zeichen schwebe dreidimensional in mehreren Metern Entfernung über dem Boden. Dann verschwand es, und der Computer im Brillenbügel projizierte Yoyo auf die Fuxing Zhong Lu.
    Es war verblüffend.
    Jericho hatte schon viele holografische Projektionen gesehen. Die Brille, eine gebogene Scheibe aus Glasfaser, fungierte wie ein 3-D-Kino, das man auf der Nase spazieren trug. Mit den frühen, klobigen Sichtgeräten der Virtual Reality hatte das Ganze nichts mehr zu tun. Vielmehr addierte der Computer Gegenstände und Personen ins natürliche Umfeld, einfach indem er sie auf der Sichtscheibe der Brille erzeugte. Man sah jemanden, der physisch nicht anwesend war. Dabei konnte es sich um leibhaftige oder künstliche Personen handeln, je nach Programmierung mal näher, mal weiter entfernt. In elektronisch erzeugten Umfeldern waren sie von real anwesenden Menschen kaum zu unterscheiden. Die Probleme begannen in der wirklichen Welt, wenn der Computer Bewegungen und Reaktionen der Avatare mit

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