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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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beide Waffen einer eingehenden Überprüfung und nahm Teil zwei seiner Arbeit in Angriff.
    Dafür zerlegte er weitere Utensilien aus seinem Kulturbeutel und fügte sie in neuer Anordnung zusammen, bis er 20 Projektile gefertigt hatte, jedes aus Kammern bestehend, die separat befüllt werden konnten. Mit äußerster Vorsicht verteilte er kleine Mengen des Duschgels in die linken und Shampoo in die rechten Hälften und versiegelte die Kammern. Die kurzen Hülsen aus dem Gitarrenhals versah er im Innern mit je einem Stückchen knetbarer Ohrstöpsel und kleinen Gallertdragees, die er einer Arzneimittelpackung gegen Magen-Darm-Beschwerden entnahm. Als Letztes verschloss er die Hülsen mit den Projektilen, führte fünf davon in den Griff der zuerst gebauten Waffe ein und weitere fünf in die zweite. Danach setzte er den Boden wieder auf den Gitarrenkorpus, befestigte fachgerecht den Hals, sammelte die verbliebenen Abfälle der Kunststoffplatte ein, verstaute sie zuunterst in seinem Koffer, packte Tuben und Fläschchen zurück in den Kulturbeutel und hielt inne, als die Reihe am Aftershave war.
    Ach ja.
    Versonnen betrachtete er die Flasche. Dann hob er den Verschluss ab, hielt sie vor seinen Kehlkopf und drückte kurz und kräftig auf den Zerstäuber.
    Das Aftershave war ein Aftershave.
     
    Niemand begegnete ihm, als er die Suite verließ.
    Er trug Raumanzug, Rüstung und Überlebensrucksack, den Helm hatte er unter den Arm geklemmt. Eine der geladenen Waffen schmiegte sich an seinen Oberschenkel, versteckt in einer Tasche von der Beschaffenheit seines Anzugs, sodass sie niemandem auffallen würde. Außerdem führte er fünf lose Patronen mit sich. Zwar glaubte er kaum, im Laufe der Nacht Gebrauch von der Pistole machen zu müssen. Lief alles wie vorgesehen, würde er gar nicht erst gezwungen sein, sie einzusetzen, doch die Erfahrung lehrte, dass sich Fehler mit der Impertinenz von Ungeziefer in die sauberste Planung einschlichen. Irgendwann mochte ihm die Waffe wertvolle Dienste leisten. Von nun an würde sie ihn ständig begleiten.
    Gaias entvölkerter Leib verbreitete die Atmosphäre eines Monuments, das seine Erbauer überdauert hatte. Tief unten lag die verödete Lobby. Er wartete, bis die Flügeltüren von E2 auseinanderglitten, betrat die Kabine und drückte Level 01. Der Lift stürzte dem Untergrund entgegen. Im Kellergeschoss stieg er aus und folgte den Beschilderungen zu dem breiten Korridor, den sie vor wenigen Stunden passiert hatten, auch dieser leer, in kaltes, weißes Licht getaucht, erfüllt von monotonem Summen. Hanna bestieg eines der Laufbänder. Es setzte sich in Bewegung, passierte die Schleusen, die hoch zur Mondoberfläche führten, den torbreiten Durchgang zur Garage, wie das unterirdisch angelegte Landefeld des Hotels genannt wurde, sodann eine Abzweigung, über die man in einen schmalen, zwei Kilometer langen Tunnel gelangte, der geradewegs zu einem kleinen Helium-3-Reaktor führte, der Gaia während der Mondnacht mit Energie versorgte. Am Ende des Korridors verließ er das Laufband und schaute durch eines der Fenster in die Bahnhofshalle. Der Lunar Express ruhte auf seiner Schiene, über Gangways mit dem Korridor verbunden. Er betrat das Innere des Zuges und ging zwischen den leeren Sitzen hindurch bis in die Kanzel. Der Bordcomputer war aktiviert, das Display erleuchtet. Hanna tippte einen Code ein und wartete die Autorisierung ab. Dann drehte er sich um, nahm in der ersten Sitzreihe Platz und streckte die Beine aus.
    Nichts von alledem hätte er tun können, wäre er einfach nur ein regulärer Gast gewesen. Doch Ebola hatte alles für ihn vorbereitet. Ebola sorgte dafür, dass es auf dem Mond keine Hindernisse für Carl Hanna gab, keine verschlossenen Türen, keine gesperrten Bereiche.
    Langsam setzte sich der Lunar Express in Bewegung.
     
    Im Laufe seines 44-jährigen Lebens war Hanna mit sich übereingekommen, die Dinge voneinander zu trennen. In Indien hatte er an einer Reihe verdeckter Operationen teilgenommen, die ihn kaum als Freund des Landes qualifiziert hätten, wäre er jemals enttarnt worden. Zur gleichen Zeit baute er einen einheimischen Freundeskreis auf und lebte mit indischen Frauen zusammen. Er schädigte die Interessen seiner Gastgeber, untergrub die wirtschaftliche und militärische Autonomie des Vielvölkerstaats, doch anstatt wie manche seiner Kollegen in billigen Bars, zwielichtigen Etablissements oder teuren Clubs mit Lizenz zum Alkoholausschank herumzuhängen,

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