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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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vergleichsweise luxuriösen Appartements unterzubringen, mit fließendem Wasser, Toiletten und Bädern, Aufzügen und Strom.
    »Hier existieren wir«, war die lächelnde Antwort gewesen. »Da draußen sind wir Geister.«
    Erst später war ihm klar geworden, dass sich der Grad menschlicher Verelendung nicht am Zustand der Häuser bemaß, die man bewohnte. Mangel an Trinkwasser, überquellende Kloaken, verstopfte Abwasserrohre, all das verdiente Einträge im Buch der Hölle. Doch solange die Menschen auf der Straße lebten, begegneten sie einander. Sie verkauften ihre Waren dort. Sie kochten für die Arbeiter, die selbst keine Gelegenheit fanden, Mahlzeiten zuzubereiten. Alleine die Bereitstellung von Essen beschäftigte und sättigte Millionen Familien, eine Lebensgrundlage, die sich nur auf ebener Erde erwirtschaften ließ, ebenso wie der soziale Zusammenhalt Sache der Straße war. Menschen traten vor ihre Türen und begannen Gespräche. Das Leben auf Bodenhöhe, die offene Struktur der Häuser, all das vermittelte Trost und Wärme. Im zehnten Stock eines Wohnblocks kam niemand vorbei, um etwas zu kaufen, und wer vor die Tür ging, schaute auf eine Wand.
    Der Weg führte eine Anhöhe hinauf. Von hier oben überblickte man alle Richtungen, soweit es die schmutzig braune Decke aus Smog gestattete. Das COD war klimatisiert, dennoch vermeinte Jericho das Sengen der Sonne auf der Haut zu spüren. Ringsum bot sich das schon vertraute Bild. Hütten, Wohnbatterien, mehr oder weniger verfallen, schief stehende Strommasten mit durchhängenden Leitungen, Schutt und Schmutz.
    Sollte er weiterfahren?
    Ratlos ließ er das Handy seine Position ermitteln. Es projizierte ihn mitten ins Niemandsland. Nicht kartografiert. Erst als er den Ausschnitt vergrößerte, bildete es gnädig ein paar Hauptstraßen ab, die Quyu durchzogen, sofern die Daten noch aktuell waren.
    In all dem Elend sollte Yoyo stecken?
    Er gab die geografische Position ein, von der aus der Eintrag in Brilliant Shit verschickt worden war. Der Computer verwies auf eine Stelle in nicht weiter Entfernung vom Demon Point, nahe der Autobahn.
    In entgegengesetzter Richtung.
    Fluchend wendete er, wich knapp einem Karren aus, den mehrere Jugendliche über den Weg schoben, handelte sich Beschimpfungen ein und fuhr im Eiltempo zurück. Nach einer Weile nahm der Verkehr wieder zu. Er ließ die Gegend, die er zu Beginn durchquert hatte, links liegen, verhedderte sich in einem Gewirr aus Gassen, irrte durch ein Viertel, in dem vornehmlich Kleidung genäht und verkauft wurde, erspähte eine Durchfahrt zwischen überlaufenen Ständen und gelangte auf eine breite, von Mauern gesäumte Straße, an denen erstaunlich gepflegt wirkende Häuser lagen. Es wimmelte von Menschen und Fahrzeugen aller Art. Imbissstände, Fast-Food-Ketten, Geschäfte und Stände beherrschten das Bild. Mehrfach passierte er Filialen von Cyber Planet. Das Ganze mutete wie eine bedrückende Variante der legendären Londoner Camden Town an zu Zeiten, als dort noch Subkultur entstanden war, was rund dreißig Jahre zurücklag. In den Hauseingängen lehnten Prostituierte. Gruppen von Männern, die eindeutig keiner friedvollen Beschäftigung nachgingen, saßen vor Cafés und Wok-Küchen oder strichen mit kontrollierenden Blicken umher. Jerichos COD wurde prüfend in Augenschein genommen.
    Dem Computer zufolge lag das Ziel schon sehr nahe, doch es war wie verhext. Immer wieder verfuhr er sich. Jeder Versuch, zurück auf die Hauptstraße zu gelangen, führte ihn nur tiefer in diese verquere Welt, die augenscheinlich von Triaden beherrscht wurde und in der vermutlich die Slum-Bosse wohnten, die Fürsten des Verfalls. Zweimal wurde er von Männern gestoppt, versuchte man ihn aus dem Wagen zu holen, aus welchen Gründen auch immer. Endlich fand er eine Abkürzung, und plötzlich lag das Viertel hinter ihm. Die ferne, klotzige Silhouette eines Stahlwerks geriet in Sicht. Über planiertes Gebiet fuhr er auf einen gigantischen, rostbraunen Komplex mit Schornsteinen zu. Eine Gruppe Motorradfahrer überholte ihn, zog an ihm vorbei und verschwand jenseits der Umfriedung. Jericho folgte ihnen. Die Straße führte auf ein Gelände, offenbar eine Art Szenetreffpunkt. Überall parkten Bikes, saßen Jugendliche zusammen, rauchten und tranken. Musik dröhnte über den Platz. Kneipen und Clubs waren in leer stehende Werkshallen gezogen, Bordelle und Sexshops. Der unvermeidliche Cyber Planet beherrschte eine komplette Seite des Innenhofs,

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