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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Zugleich beschlich ihn das Gefühl, sich zu verrennen. Der Film war uralt und Sakamoto weit über 70.
    »Nicht wirklich. Schick mir das Foto auf den Rechner.«
    Tu ließ die Aufnahme weiterlaufen. Grand Cherokee Wang verließ den Kontrollraum und wich vor dem Fremden zurück. Beide gerieten eine Weile außer Sicht, dann war der Hochgewachsene wieder zu sehen. Er betrat den Kontrollraum und machte sich am Steuerpult zu schaffen.
    »Ich frage mich gerade, ob der Wachdienst nicht darauf hätte reagieren müssen«, meinte Tu.
    »Auf was?«, fragte Jericho.
    »Wie, auf was?«, Tu starrte ihn an. »Auf das, was du da siehst!«
    »Wonach sieht es denn aus?«
    »Irgendwas ist zwischen den beiden doch vorgefallen, oder?«
    »Ist es das?« Jericho lehnte sich zurück. »Abgesehen davon, dass Wang zweimal zu Boden geht, ist gar nichts vorgefallen. Vielleicht ist er bekifft oder besoffen oder fühlt sich nicht gut. Unser öliger Freund hilft ihm auf die Beine, das ist alles. Außerdem hat der Wachdienst einhundert Stockwerke zu kontrollieren, du weißt doch, wie so was läuft. Die starren nicht unentwegt auf Monitore. – Gibt es eigentlich Außenkameras?«
    »Ja, aber die übertragen nur in den Kontrollraum des Silver Dragon.«
    »Das heißt, wir können nicht –«
    »Die können nicht«, sagte Tu. »Wir schon.«
    Soeben verließ der Hochgewachsene den Kontrollraum, durchquerte den Korridor und verschwand im angrenzenden Gebäudeteil. Tu startete eine weitere Aufnahme. Der Bildschirm unterteilte sich in acht Einzelbilder, die zusammengenommen den Gleisverlauf des Silver Dragon abbildeten. Eine der Kameras zeigte Grand Cherokee, wie er am Ende des letzten Waggons stand und mehrfach hinter sich schaute.
    Dann trat er hinaus auf das Gleis.
    »Einfrieren«, rief Jericho. »Ich will sein Gesicht sehen.«
    Kein Zweifel, Grand Cherokees Züge waren in Panik verzerrt. Jericho fühlte eine Mischung aus Faszination und Grauen.
    »Wo will er bloß hin?«
    »Unüberlegt ist seine Aktion nicht«, sagte Tu gedämpft, als könne er den verzweifelten Mann auf dem Achterbahngleis durch lautes Reden zu Fall bringen. Der Silver Dragon verließ unterdessen den Bahnhof und wurde über die Bildschirme weitergereicht. »Ums Haus rum existiert eine Verbindung zwischen Gleis und Gebäude. Mit etwas Glück kann er es dorthin schaffen.«
    »Er schafft es aber nicht«, sagte Jericho.
    Tu schüttelte stumm den Kopf. Entsetzt sahen sie zu, wie Grand Cherokee starb. Eine Weile sagte keiner ein Wort, bis Jericho sich räusperte.
    »Die Zeitcodes«, sagte er. »Wenn du sie vergleichst, besteht kein Zweifel, dass der Fremde den Silver Dragon gestartet hat. Und noch etwas fällt auf. Wir sehen nur zweimal sein Gesicht, beide Male undeutlich. Darüber hinaus hat er es verstanden, der Kamera immer den Rücken zuzukehren.«
    »Und was schließt du daraus?«, fragte Tu heiser.
    Jericho sah ihn an.
    »Es tut mir leid«, sagte er. »Aber du und Chen – ihr werdet euch mit dem Gedanken vertraut machen müssen, dass Yoyo einen professionellen Killer am Hals hat.«
    Nein, dachte er, falsch. Nicht nur Yoyo.
    Ich auch.
     
    Tu Technologies gehörte zu den wenigen Unternehmen in Shanghai, die über eine Flotte privater Skymobiles verfügten. 2016 war das World Financial Center nachträglich mit einem Hangar für Flugautos ausgerüstet worden, oberhalb der Büros im 78. Stockwerk. Er bot zwei Dutzend Maschinen Platz, die Hälfte davon im Besitz der Eignergesellschaft, vornehmlich wuchtige Senkrechtstarter für Evakuierungen. Seit islamistische Terroristen vor knapp einem Vierteljahrhundert zwei Passagierflugzeuge in die Zwillingstürme des New Yorker World Trade Centers gelenkt hatten, war das Interesse an Flugmobilen mit jedem Jahr stärker geworden und hatte zur Entwicklung unterschiedlicher Typen geführt. Fast alle neu erbauten Superhochhäuser Chinas wurden inzwischen mit Flugdecks ausgestattet. Sieben Maschinen gehörten dem Hyatt, vier elegant geformte Shuttles mit schwenkbaren Turbinen, zwei Sky-Bikes und ein hubschrauberähnlicher Gyrokopter. Tus Flotte umfasste zwei Gyrokopter und den Silver Surfer, einen ultraflachen, schimmernden Senkrechtstarter. Vergangenes Jahr war Jericho in den Genuss einiger Flugstunden gekommen, als Gegenleistung für einen Job, den er nicht berechnet hatte, was ihn in die Lage versetzte, die sündhaft teure Konstruktion zu steuern. Jetzt saß Tu auf dem Pilotensitz. Er wollte Chen Hongbing einen Besuch abstatten und anschließend

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