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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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maroden Canyons der Triadenstadt, zerrte an Markisen, Kleidung und Nerven. Mittlerweile war es unerträglich schwül geworden, der Himmel ein Leichentuch. Weiterhin klatschten einzelne, fette Tropfen hernieder, Vorboten der Sintflut, die sich im fernen Donnergrollen ankündigte. Läden knallten. Jericho setzte seine Brille auf und betrat das Foyer des Cyber Planet.
    Im Prinzip sahen alle Filialen der Kette gleich aus. Man wurde empfangen von standardisierten Automaten in Reihenhausmanier mit Schlitzen für Bargeld und elektronischen Schnittstellen zur Fernabbuchung. Nach Zahlung erfolgte die Registrierung, und man erlangte Zugang zum Allerheiligsten. Zwei Wachleute schwatzten hinter einem Tresen und schenkten den Monitoren keinen Blick. Viele der Gäste waren Stammkunden, wie es aussah. Sie hielten sich nicht lange an den Automaten auf, sondern schauten in Augenscanner, warteten, bis sich die Türen aus Panzerglas öffneten, und betraten den dahinter liegenden Bereich mit dem tastenden Schritt spät Erblindeter.
    Dort reihten sich Spielkonsolen und transparente Liegen aneinander, ausgestattet mit Holobrillen. Eine Empore bot Platz für zwei Dutzend Full-Motion-Suits, ineinander gelagerte Ringe von drei Metern Durchmesser, in die man sich, mit einem Sensoranzug bekleidet, einspannen lassen konnte, um völlige Bewegungsfreiheit zu genießen. Weiter hinten ging es zu abschließbaren Einzelkabinen, Toiletten, Duschen und Schlafwaben. Die Rückwand des riesigen Raumes wurde eingenommen von einer Art Supermarkt mit Bar. Bodentiefe Fensterfronten gewährten Blicke auf die Straße und den Markt. Sah man von den Wachleuten im Foyer ab, gab es kein Personal. Alles war automatisiert. Theoretisch musste man den Cyber Planet nie wieder verlassen, vorausgesetzt, man war bereit, sich für den Rest seines Lebens mit Fast Food und Softdrinks zu begnügen. Die Kette lockte mit Pauschalangeboten von bis zu einem Jahr, in denen man nichts anderes zu tun hatte, als mit einer Brille bekleidet virtuelle Welten zu durchwandern, sei es als passiver Beobachter oder aktiver Gestalter. Man träumte, albträumte, lebte und starb.
    Jericho zahlte für 24 Stunden. Gut die Hälfte der Liegen war besetzt, als er den Raum betrat, die meisten entlang der Fensterfront. Aus unerfindlichen Gründen suchte das Gros der Besucher die Nähe zur Straße, auch wenn sie durch Brillen und Kopfhörer völlig von der Außenwelt abgeschnitten waren. Jericho erspähte einen freien Platz, von wo aus er Wongs World und die Kreuzung überblickte, an der sein Wagen parkte, streckte sich aus und tippte gegen den Bügel seiner Brille. Die Außenfront verspiegelte sich. Er klemmte den Fernempfänger seines Handys ins Ohr und bereitete sich auf eine lange Nacht vor.
    Oder auch mehrere.
    Vielleicht war Yoyo ja längst über alle Berge, und er und Zhao hockten wie Idioten in einer Tankstelle für Albträume.
    Er gähnte.
    Mit einem Mal war es, als werde das Licht aus den Straßen gesogen. Die Gewitterfront stülpte sich über Quyu und entließ Ströme pechschwarzen Wassers. Binnen Sekunden schwamm Unrat in den Straßen, rannten Menschen wild durcheinander, die Schultern hochgezogen, als nütze das gegen die völlige Durchnässung. Die Bombardements kurz aufeinanderfolgender, heftiger Donnerschläge rückten näher. Jericho blickte in einen von Elektrizität gespaltenen Himmel.
    Der Vorgeschmack des Untergangs.
    Nach Ablauf einer Stunde war alles vorbei, während derer sich die Straße vorübergehend in die Miniaturausgabe des Yangtse verwandelt und gestauter Abfall eine niedliche Entsprechung des Drei-Schluchten-Damms gebildet hatte. Ebenso schnell, wie es gekommen war, zog das Gewitter weiter. Die Brühe floss ab, durchweichte Exponate der Wegwerfgesellschaft und ertrunkene Ratten hinterlassend, die von aufsteigendem Wasserdampf theatralisch in Szene gesetzt wurden. Eine weitere Stunde später hatte ein dunkelrot glühender Ball den Kampf gegen die Wolken gewonnen und verschwendete sein Feuer an Straßen ohne Touristen. Wongs World erhielt Zulauf von blassen Gestalten, Frauen lugten aus Zelten und Verschlägen, die schale Verheißung der Nacht, oder postierten sich spärlich bekleidet an der Kreuzung.
    Gegen elf stöhnte ein junger Mann auf der Liege neben Jericho auf, riss sich die Brille von den Augen, stemmte sich hoch und erbrach einen Schwall wasserdünner Kotze zwischen seine Beine. Die Selbstreinigungssysteme der Liege sprangen summend an, saugten das Zeug weg und

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