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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Koordinaten, gab ihm Platz in Raum und Zeit: sehr früher Morgen, kurz vor Verlassen seiner Suite, ein Aufblicken, ein Aufblitzen –
    Mit einem Mal erinnerte er sich.
    Ein Lichtreflex am äußeren linken Rand des Fensters, das die zur Schlucht gelegene Wand des Wohnraums einnahm. Ein Huschen von rechts nach links, sternschnuppen artig , vielleicht musste man aber auch einfach nur sehr müde und unausgeschlafen sein, um nicht seine wahre Natur zu erkennen. Und weiß Gott, er war müde gewesen! Doch Julians Geist glich einem Filmarchiv, keine Szene ging verloren. Rückblickend erkannte er, dass die Erscheinung weder virtueller Natur noch seiner Fantasie zuzuschreiben, sondern höchst realen Ursprungs gewesen war, dass er also tatsächlich etwas gesehen hatte, und zwar auf der gegenüberliegenden Seite des Tals, in Höhe der Magnetbahnschienen, ziemlich genau sogar in Höhe der Schienen, dort, wo sich das Gleis nach Norden schwang –
    Dass er den Lunar Express gesehen hatte.
    Verblüfft blieb er stehen.
    »– viel bizarrere Formen, als man es von der Erde gewohnt ist«, erklärte Nina Hedegaard soeben und trat zu einer basaltenen, kubistisch verkeilten Auftürmung. »Der Grund dafür ist, dass kein Wind den Fels abschleift und darum nichts erodiert. Dadurch entstehen –«
    Er hatte den Zug gesehen! Mehr ein Nachbild, doch nichts anderes konnte es gewesen sein, und er war in Richtung Gaia unterwegs gewesen.
    Zum Hotel.
    »Interessant, was Völker im Mond schon alles gesehen haben«, sagte Borelius gerade. »Wussten Sie, dass viele pazifische Stammeskulturen den dicken Brocken noch heute als großen Befruchter verehren?«
    »Als Befruchter?« Hedegaard lachte. »Nicht der fidelste Einzeller würde hier überleben.«
    »Ich hätte eher auf die Sonne getippt«, sagte Mimi Parker. Eine gewisse Missbilligung für alle nativen Kulturen durchsetzte ihren Tonfall, weil ihre Vertreter nicht gleich als anständige Christenmenschen zur Welt gekommen waren. »Die Sonne als Lebensspenderin, meine ich.«
    »In tropischen Regionen fällt es schwer, sie so zu sehen«, erwiderte Borelius. »Oder in der Wüste. Sie brennt erbarmungslos auf dich runter, zwölf Monate ohne Unterlass, versengt Ernten, trocknet Flüsse aus, tötet Menschen und Vieh, während Skorpione, Moskitos und das ganze giftige Kroppzeug prächtig gedeihen. Aber der Mond bringt Kühle und Frische. Das bisschen flüchtige Feuchtigkeit vom Tag kondensiert zu Tau, man kann ausruhen und schlafen –«
    »Miteinander schlafen«, ergänzte Kramp.
    »Genau. Bei den Maori beispielsweise kam dem Mann lediglich die Aufgabe zu, die weibliche Vagina so lange mit seinem Penis offen zu halten, bis die Mondstrahlen eindringen konnten. Nicht der Mann schwängerte die Frau, sondern der Mond.«
    »Sieh mal an. Die alte Sau.«
    »Mein Gott, Karla, wie ungnädig«, lachte Edwards. »Ich denke doch, das steht in keinem Widerspruch zur unbefleckten Empfängnis.«
    »Also, ich bitte dich!«, echauffierte sich Parker. »Vielleicht eine primitive Version davon.«
    »Warum denn primitiv?«, fragte Kramp lauernd.
    »Finden Sie das nicht primitiv?«
    »Dass der Mond Frauen schwängert? Doch. Ebenso primitiv wie den Gedanken, dass ein ominöser Geist auf Erden rumferkelt und das Resultat als unbefleckte Empfängnis verkauft.«
    »Das ist ja wohl nicht zu vergleichen!«
    »Wieso nicht?«
    »Weil – na, weil es halt nicht zu vergleichen ist. Hier primitiver Aberglaube, dort –«
    »Ich will es ja nur verstehen.«
    »Also, bei aller Toleranz, wollen Sie ernsthaft bezweifeln –«.
    Augenblick. Der Lunar Express? War es denn überhaupt der, mit dem sie gekommen waren? Es gab ja noch einen zweiten, am Pol geparkt, der erst zum Einsatz gelangen sollte, wenn das Touristenaufkommen die Kapazitäten des einen überstieg. War jemand mit dem Ersatzzug eingetroffen, morgens um Viertel nach fünf?
    Und warum wusste er dann nichts davon?
    Hatte vielleicht Hanna etwas gesehen?
    »Dahinten müsste doch irgendwo Plato liegen«, sagte Edwards, um Deeskalation bemüht. »Ist die Krümmung zu stark?«
    »Noch anders«, sagte Hedegaard. »Man würde den oberen Kraterrand von hier erkennen, nur liegt die uns zugewandte Flanke zurzeit im Schatten. Schwarz vor schwarz. Aber wenn Sie sich umdrehen, können Sie in nordöstlicher Richtung das Vallis Alpina ausmachen.«
    »Oh ja! Fantastisch.«
    »Ganz schön lang«, sagte Parker.
    »134 Kilometer. Ein halber Grand Canyon. Kommen Sie noch ein paar Schritte weiter. Hier

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